Ex-Drogenboss El Chapo wird in Mexiko verehrt wie ein Volksheld

Benedikt Theiler
Benedikt Theiler

USA,

Heute beginnt der Prozess gegen «El Chapo». Der Drogenboss und ehemalige Kartellchef wird in Mexiko verehrt wie ein Volksheld.

Der Drogenboss Joaquin Guzman Loera «El Chapo» wird von Mexikanischen Behörden abgeführt.
Der Drogenboss Joaquin Guzman Loera «El Chapo» wird von mexikanischen Behörden abgeführt. - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Zweimal konnte Guzmán aus einem Hochsicherheitsgefängnis entfliehen.
  • Nun beginnt in New York der Prozess gegen den Drogenboss.
  • Bei seiner zweiten Verhaftung gingen Tausende für seine Freilassung auf die Strasse.

Für Joaquín Guzmán Leory alias «El Chapo» wird es eng. Wird der 61-Jährige nur in einem, der 17 Anklagepunkte für schuldig befunden, wird er den Rest seines Lebens hinter Gittern verbringen müssen. Ab heute wird in New York dem ehemaligen Drogenboss unter strengsten Sicherheitsmassnahmen der Prozess gemacht. Ihm werden Drogenschmuggel, Waffenhandel und Geldwäsche vorgeworfen.

Belastendes Material von über 300'000 Seiten und mindestens 117'000 Audioaufnahmen stehen der US-Justiz zur Verfügung. Der wegen seinen 1.68 Metern oft nur als «der Kurze» betitelte Ex-Kartellchef plädiert jedoch auf nicht schuldig. Der Prozess ist für vier Monate angesetzt.

El Chapo entkam zweimal aus Hochsicherheitsgefängnis

Mit der Einzelhaft in New York endet eine lange Geschichte mit vielen Drogen, Toten und spektakulären Gefängnisausbrüchen. Seine Karriere beginnt in den 70er-Jahren, als er für die mexikanischen Drogenkartelle aus Juárez und Guadalajara Kokainflüge aus Kolumbien koordiniert. Ab Anfang der 90er führte er das Sinaloa-Kartell.

1993 wurde El Chapo in Guatemala ein erstes Mal verhaftet, nach Mexiko ausgeliefert und zu über 20 Jahren verurteilt. 2001 gelang ihm die Flucht aus einem mexikanischen Hochsicherheitsgefängnis. Laut Spekulationen half ihm der damalige mexikanischen Präsident Vicente Fox.

Zwischenzeitlich wurde Guzmán von der Zeitschrift «Forbes» auf Platz 41 der Liste der mächtigsten Menschen der Welt geführt – noch vor Tim Cook, dem CEO von Apple.

El Chapo entkam durch einen eineinhalb Kilometer langen Tunnel aus einem Hochsicherheitsgefängnis in Mexiko. - Keystone

Im Jahr 2014 wurde Guzmán von mexikanischen Marineinfanteristen und der US-Antidrogenbehörde DEA ein zweites Mal gefasst. Wenige Tage danach gingen Tausende in Sinaloa auf die Strasse um für die Freilassung El Chapos zu demonstrieren. 16 Monate später gelang ihm erneut die Flucht aus einem mexikanischen Hochsicherheitsgefängnis durch einen eineinhalb Kilometer langen Tunnel.

Im Januar 2016 wurde Guzmán endgültig gefasst und schliesslich am 19. Januar 2017 – am letzten Amtstag von US-Präsident Barack Obama – offiziell in die USA ausgeliefert.

Verehrt wie Zorro

Guzmán schaffte es vom Sohn eines Viehzüchters zum stinkreichen Drogenbaron zu werden. Grund genug für die Mexikaner, ihn wie einen Volkshelden zu verehren. Quasi ein moderner Zorro, der den Armen gibt und den korrupten Staat an der Nase herumgeführt. Ein Sinnbild für Treue, Mut, Gerechtigkeit und Tapferkeit. Dass er dabei über Leichen ging, wird ausgeblendet.

König Chapo und Gott beschütze Al Chapo steht auf den Hüten, die an einem Markt in Mexiko verkauft werden. - Keystone

Ohnehin werden in grossen Teilen von Mexikos Gesellschaft Drogenbarone als Halbgötter vergöttert– so etwa von Nacho Coronel über Amado Carrillo Fuentes bis hin zu Marcos Arturo Beltrsán-Leyva. Um diese «Bandidos» ranken sich zahlreiche Mythen und Legenden.

Verachtet wird dagegen der eigene Staatsapparat, geführt von einer korrupten Elite, welche nur für ihr eigenes Wohl und die eigenen Probleme besorgt ist. Gleiches gilt für die USA, die sich schon immer in die innermexikanischen Angelegenheiten eingemischt haben und deren Drogenpolitik als verlogen wahrgenommen wird.

Mexikanische Sicherheitskräfte in der Nähe, wo der mexikanische Kartellführer Nacho Coronel bei einer Schiesserei ums Leben kam. - Keystone

Trotz der ausufernden Gewalt in Mexiko – 2017 wurden über 23'000 Tötungsdelikte und 30'000 Vermisste gezählt – die Narcos haben den Kulturkampf um die Herzen der Menschen längst gewonnen. Da erscheint der Kampf der ohnehin schlecht bezahlten Sicherheitskräfte wie ein Kampf gegen die Windmühlen.

El Chapo wird Opfer seiner Eitelkeit

Und auch Hollywood-Blockbuster – sei es Tony Montana in «Scarface», George Jung in «Blow» oder Vincent Vega und Jules Winnfield in «Pulp Fiction» – sorgen weltweit für ein verklärtes und heroisches Bild der Drogenbosse und Dealer.

Dass sich auch El Chapo durch einen Hollywood-Streifen verewigen lassen wollte, liegt auf der Hand. Den Kontakt nach Hollywood hatte sich Guzmán durch ein persönliches Interview mit Schauspielgrösse Sean Penn verschafft. Die Ironie der Geschichte: Nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft kamen die Ermittler dem Kartellchef dank dem Treffen auf die Spur. Dem Chapo wurde seine Eitelkeit zum Verhängnis.

Nun hat sich eine teuer produzierte Netflix-Serie der Geschichte um Guzmáns Drogenkarriere angenommen. Doch die Show fällt bei Kritikern durch. Und auch dem Chapo selbst scheint die Serie nicht zu gefallen. Sein Anwalt überlegt den Streamingdienst wegen Rufschädigung anzuklagen.

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