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23. Juni 1974 als historischer Tag: 50 Jahre nach Jura-Abstimmung

Keystone-SDA
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Delémont,

Der Jura wurde am 1. Januar 1979 ein eigenständiger Kanton. Am 23. Juni 1974 haben 80'000 Wählerinnen und Wähler darüber entschieden.

Jura
Der Kanton Jura plant, die Schuldenbremse anzupassen, um den Beitritt von Moutier zu berücksichtigen. (Symbolbild) - sda - KEYSTONE/JEAN-CHRISTOPHE BOTT

Am 23. Juni 1974 haben rund 80'000 Wählerinnen und Wähler in den sieben Bezirken des historischen Juras entschieden, ob sie sich vom Kanton Bern lösen und den Kanton Jura gründen wollen. Es gewann das Ja-Lager mit 52 Prozent der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von fast 90 Prozent. Der Jura wurde am 1. Januar 1979 ein eigenständiger Kanton.

Die Abstimmung wurde in beiden Lagern gründlich vorbereitet. Beide haben einen intensiven Abstimmungskampf geführt. Die letzten Tage waren sehr emotional. Die Medien warenin Delsberg sehr präsent und niemand wagte es, eine Prognose abzugeben.

Das Wetter war regnerisch an diesem Sonntagnachmittag. Im Laufe des Tages stieg die Spannung in der Halle des Schlosses von Delsberg, wo die Abstimmungsergebnisse ausgezählt wurden. Um 15.00 Uhr hatte das Nein-Lager einen Vorsprung von 9000 Stimmen. Eine Stunde später lag es nach der Auszählung von fünf der sieben Bezirke immer noch in Führung. In Moutier gewann das Nein knapp mit 2194 zu 2124 Stimmen.

Die Prognosen waren von einer Ablehnung im gesamten historischen Jura ausgegangen, aber mit einem Ja in den drei nördlichen Bezirken Delsberg, Pruntrut und Franches-Montagnes. Mit der knappen Ablehnung in Moutier und einer deutlichen Ja-Mehrheit in Delsberg wendete sich das Blatt. Die Stimmzettel, die für die Schaffung eines 26. Kantons sprachen, rückten in den Vordergrund.

«Es kann die ganze Nacht regnen, es regnet die Freiheit»

Es fehlte nur noch das Ergebnis des Bezirks Pruntrut, doch für die Separatisten lag der Sieg in Griffweite. Eine Stunde später, um 17.30 Uhr, gab der Dichter Pablo Cuttat, Präsident des Abstimmungsbüros, das Ergebnis der Stadt Pruntrut bekannt, das den Vorsprung der Ja-Stimmen weiter ausbaute. Um 18.30 Uhr wurden die endgültigen Ergebnisse veröffentlicht: Mit 36'802 zu 34'057 Stimmen fiel das Abstimmungsresultat zugunsten eines neuen Kantons aus.

Trotz Regenwetter herrschte in den Strassen von Delsberg Jubel, wie Fotos und Filme aus dem Archiv zeigen. Vor Tausenden von Menschen sagte Roger Schaffter, Vizepräsident des Rassemblement jurassien (RJ), auf der Treppe des Rathauses den Satz, der ins kollektive Gedächtnis eingehen sollte: «Es kann die ganze Nacht regnen, es regnet die Freiheit.»

Der Platz war voll mit Regenschirmen und jurassischen Fahnen. Die Menge skandierte: «Dies ist erst der Anfang, lasst uns den Kampf fortsetzen.»

«Et bien voilà, le Jura est libre», erklärt Roland Béguelin, Generalsekretär des RJ. «Wir rufen am Abend dieses denkwürdigen Tages die Republik und den Kanton Jura aus.» Die Kirchenglocken läuteten.

Entscheidung zwischen Freiheit und Einheit

Im gegnerischen Lager wehrte man sich dagegen, als Verlierer abgestempelt zu werden, und betonte, in vier Bezirken gewonnen zu haben. «Wir haben die Leute nie mit Jahrmärkten und Spielen auf unsere Seite gelockt. Wir haben uns vielleicht mit etwas strengen Reden begnügt – und die sind nicht dafür gemacht, das Volk anzuziehen», erklärte Geneviève Aubry, eine Symbolfigur des antiseparatistischen Kampfes, in Saint-Imier bei der Bekanntgabe der Ergebnisse.

Während der Kampagne waren die Separatisten der RJ zögerlich. Der vom Kanton Bern eingeführte Abstimmungsprozess bot ihnen zwar Unabhängigkeit, konnte aber auch zu einer Aufteilung des historischen Juras führen. Es schien in der Tat sicher, dass der Süden der Region sich mehrheitlich dafür entscheiden würde, bernisch zu bleiben.

Die Abstimmung konnte stattfinden, weil der Kanton Bern im März 1970 einen Verfassungszusatz angenommen hatte. Diese Bestimmung sah Plebiszite in Etappen vor, das heisst zunächst auf der Ebene der sieben Bezirke, dann in den Bezirken, die das Ergebnis ablehnen, und schliesslich in den angrenzenden Gemeinden.

Dieser Verfassungszusatz zwang das Rassemblement jurassien quasi zu einer Entscheidung zwischen Freiheit und Einheit. Die Unterplebiszite im Jahr 1975 führten zu einem Auseinanderbrechen des historischen Juras, da die Bezirke Courtelary, La Neuveville und Moutier sich dafür entschieden, bernisch zu bleiben. Das Laufental schloss sich dem Kanton Basel-Landschaft an. Die sieben Bezirke des historischen Jura waren 1815 auf dem Wiener Kongress dem Kanton Bern angegliedert worden.

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