Alain Berset wurde als neuer Generalsekretär des Europarats gewählt. Das bringt ihm reichlich Ansehen – allerdings auch eine Menge Arbeit.
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Vor Alain Berset liegt viel Arbeit. (Archivbild) - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Alain Berset steht als Generalsekretär im Europarat vor schweren Aufgaben.
  • Eine davon könnte es sein, den Europarat wieder zurück zu seinen Kernaufgaben zu bringen.
  • Auch der Kampf gegen Korruption und die Abneigung in eigenen Reihen stellen Hürden dar.
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Zumindest im Privaten liegt vor Alain Berset eine gute Zeit: Mit seiner Wahl zum Generalsekretär des Europarats eröffnet sich ihm der Einzug in die Villa Massol. Die 950 Quadratmeter grosse Residenz in Strassburg mit Garten und Hof steht eigens für seine Position zur Verfügung.

Wie die «NZZ» berichtet, wird ein privater Fahrer den ehemaligen Bundespräsidenten chauffieren und auch das Geld kommt nicht zu knapp: Der 52-Jährige erhält künftig ein Jahresgehalt von steuerbefreiten 300'000 Euro (etwa 290'000 Franken). Ansehen geniesst er jetzt schon – die Schweizer Europaratsdelegation bezeichnet Berset parteiübergreifend als geschaffen für den Posten. Dafür liegen vor dem Alt-Bundesrat auch enorme Aufgaben, die es zu bewältigen gilt.

Zurück zum Wesentlichen

So äusserte SVP-Nationalrat Roland Rino Büchel als Mitglied der Schweizer Parlamentarierdelegation beim Europarat: «Berset muss den riesigen Verwaltungsapparat dringend entschlacken. Der Europarat muss sich wieder auf seine zentrale Aufgabe fokussieren: die Stärkung von Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit.»

Von mehreren Seiten wird bemängelt, dass sich der Europarat zu sehr von seinen Kernaufgaben entfernt hat. Stattdessen produziere er hauptsächlich Berichte: Allein sechs Berichte wurden von der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz bezüglich der Schweiz verfasst.

Dabei präsentiert der Rat erst Empfehlungen und Richtlinien, welche von den 46 Mitgliedsstaaten möglichst umgesetzt werden. Die Umsetzung wird in den Ländern von unabhängigen Kommissionen geprüft. Infolge werden dazu die Berichte erstellt. In den Berichten zur Schweiz wurde beispielsweise struktureller Rassismus bei der Polizei sowie ein steigender «intoleranter Diskurs» gegen Muslime angemarkert.

Kampf gegen Korruption

Mit der Aserbaidschan-Affäre eröffnete sich 2012 der bisher grösste und langwierigste Korruptionsskandal innerhalb des Europarats. Bis zum Jahr 2021 wurden immer wieder verschiedene Fälle dokumentiert, in denen Mitglieder des Europarats von Aserbaidschan bestochen wurden: Sie erhielten Luxusgüter, Reisen und hohe Geldzahlungen, um bei Menschenrechtsverstössen wegzusehen.

Organisationen wie die «OSZE» und «Reporter ohne Grenzen» kritisierten zudem seit langem die korrupten, unfairen und unfreien Wahlbedingungen in Aserbaidschan. Die vom Europarat entsandten Delegationen zur Wahlbeobachtung bescheinigten jedoch faire Abläufe mitunter nach «deutschen Standards». Unabhängige Wahlbeobachter dokumentierten hingegen umfassende Wahlfälschungen. Später wurden bei mehreren Delegierten über verschiedene Jahre hinweg Bestechungs-Zahlungen vonseiten Aserbaidschans entdeckt.

Sozialwissenschaftler Gerald Knaus sieht es als klar notwendig an, dass Alain Berset gegen antidemokratische Länder vorgeht: «Wenn er das nicht tut, verkommt der Europarat zu einem blossen Debattierklub zwischen Demokratien und Diktaturen. Damit würde er seine Glaubwürdigkeit verlieren.»

Schweiz für Alain Berset – aber gegen den Europarat

Als dritte Hürde steht Alain Berset das vermutlich schwierige Austarieren in den eigenen Reihen bevor. Denn so sehr die Mehrheit der Schweizer die Wahl Bersets zum Generalsekretär schätzt, so skeptisch ist sie gegenüber der Institution. So fordert die SVP nicht nur den Austritt der Schweiz aus dem Europarat. Sie will sich auch von der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) lösen.

Auch Mitte-Nationalrat Thomas Rechsteiner sowie FDP-Nationalrat Peter Schilliger haben bereits einen Vorstoss zur Kündigung der EMRK eingereicht. Grund ist vor allem das Klima-Urteil, mit dem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Schweiz gerügt hatte. «Klar, Alain Berset hätte wohl keine Freude, wenn die Schweiz ihre Mitgliedschaft in der Menschenrechtskonvention kündigen würde. Aber ich hatte auch keine Freude ob dem Klima-Urteil der Strassburger Richter», sagt Rechsteiner.

Die EMRK sieht er nicht als notwendig an, um die Menschenrechte in der Schweiz zu sichern: «Die Schweizer Verfassung garantiert die Menschenrechte ebenfalls. Es reicht, wenn man vor Bundesgericht klagen kann.»

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