Alleinerziehende landet wegen unzulässigen Krediten in Schuldenfalle
Eine alleinerziehende Mutter gerät nach der Trennung in eine Schuldenfalle – durch Kredite. Grund: Bei der Vergabe des Kredits wurden grobe Fehler begangen.
Das Wichtigste in Kürze
- Kleinkredite sollten eigentlich eine Erleichterung darstellen.
- Wenn bei der Vergabe allerdings gepfuscht wird, werden sie schnell zur Belastung.
- Bei Nau.ch erzählt eine alleinerziehende Mutter, wie sie in die Schuldenfalle geriet.
- Und: Wie sie wieder aus der Schuldenfalle rausgekommen ist.
Als Beatrice Keller* das Wasser bis zum Hals steht, nimmt sie einen Kredit auf. Und gerät damit erst so richtig in finanzielle Schwierigkeiten – kein Einzelfall. «Ich habe mich dafür so geschämt», sagt sie rückblickend.
Doch von vorn.
Beatrice Keller ist Anfang 40, wohnt im Kanton Bern – zu ihrem Schutz nennen wir sie anders. Nach ihrer Scheidung ist sie alleinerziehend. Mit ihrer 100-Prozent-Stelle als Kauffrau und den Alimenten für sich und ihre beiden Kinder hat sie lange keine finanziellen Sorgen.
Zunächst läuft es rund. Sie lernt einen neuen Partner kennen, zieht mit ihm in eine grosse Wohnung. Doch dann wird sie verlassen. «Er liess mich in der teuren Wohnung, die ich alleine nicht bezahlen konnte.»
Barkredit als vermeintliche Lösung
Um bis zum Ablauf der Kündigungsfrist finanziell über die Runden zu kommen, sucht sie nach Lösungen. Und wird im Internet bei einem Finanzinstitut fündig.
Sie nimmt einen Barkredit auf. Und dann noch einen und noch einen.
Insgesamt belaufen sich die Kredite auf eine Gesamtsumme von über 90'000 Franken.
Die Erleichterung ist aber nur von kurzer Dauer. Monat für Monat muss sie über 1000 Franken zurückbezahlen. Bei einem horrenden Zinssatz von 13 Prozent – und das über sieben Jahre lang.
Zunächst kann sie das noch berappen. Doch dann ändert sich die finanzielle Situation drastisch: Ihr Ex-Mann zahlt ihr die Alimente nicht mehr.
Das war bei der Scheidung zwar so vereinbart. Aber: Beim Kreditabschluss hat das Finanzinstitut dies ignoriert. Und damit die gesetzliche Pflicht. Das Gesetz sieht nämlich vor, dass ein Kredit nur dann gegeben werden darf, wenn dieser nicht zu einer Überschuldung führt.
Budget falsch berechnet
Dafür muss der Kreditgeber ein Budget für den Kreditnehmer berechnen. Nach Abzug aller Fixkosten muss genug Geld übrig bleiben, um die monatliche Rate zahlen zu können. Und das, bis der ganze Kredit zurückbezahlt wird.
Das ist im Fall von Beatrice Keller nicht passiert.
Nicht nur hat das Kreditinstitut ignoriert, dass nach einigen Jahren entscheidende Einnahmen fehlen. Auch entscheidende Kostenpunkte sind im Budget nicht berücksichtigt: die Betreuung der Kinder, auswärtige Verpflegung, die Kosten für den Arbeitsweg oder für die Gesundheit.
Dass Finanzinstitute die Budgets von Menschen in finanzieller Not zu knapp berechnen, ist kein Einzelfall.
Die Rechtsanwältin Nora Goll arbeitet bei der Berner Schuldenberatung. «Die Budgets sind teilweise lückenhaft und zu optimistisch», berichtet sie. Entscheidendes wird weggelassen.
«In einer langen Frist kann viel Unvorhersehbares passieren: ein Jobverlust, eine Scheidung oder ein Todesfall im engen Umfeld.» All das müsse in einem seriösen Budget berücksichtigt werden, damit entsprechende Rücklagen gebildet werden können.
Der Klassiker sei allerdings der Kostenpunkt Gesundheit. «Wer eine hohe Franchise und einen hohen Selbstbehalt hat, muss im Krankheitsfall tief ins Portemonnaie greifen. Ein anderes Beispiel sind Zahnarztkosten, die rasch in die Höhe schnellen können.»
Plötzlich gekündigt
Als wäre der Wegfall der Alimente nicht genug, erfährt Beatrice Keller einen zweiten herben Einschnitt. Diesmal unerwartet. Nach einem Jobwechsel wird ihr von ihrem Arbeitgeber ungerechtfertigt gekündigt. Sie ist schliesslich ein halbes Jahr arbeitslos.
Von der Arbeitslosenkasse erhält sie im Vergleich zu ihrem Job 20 Prozent weniger Geld. Geld, das dann fehlt, um die Rate zurückzahlen zu können.
Die Situation bessert sich erst, als sie sich Hilfe holt. Zuerst wendet sie sich bei der Winterhilfe, einer Organisation für Menschen in finanzieller Notlage.
Die Organisation übernimmt einmalig einen Mietzins, um ihr Schnauf zu verschaffen. Dann wird Keller zur Schuldenberatung weitergeleitet. Dort wird man bei ihrem Kredit hellhörig.
Rasch wird klar: Die Kreditvergabe ist grob mangelhaft. «Ich hätte diesen Kredit niemals erhalten dürfen», so Keller.
Das Gesetz sieht vor, dass unzulässige Kredite angefochten werden können. Rechtsanwältin Nora Goll erklärt: «Bei einem leichten Verstoss ist lediglich der Nettokredit, also weder Kosten noch Zinsen, geschuldet. Bei einem groben Verstoss muss das Finanzinstitut den gesamten Kredit zurückbezahlen.»
«Endlich schuldenfrei»
Beatrice Keller will sich den Gang vors Gericht ersparen. Und auch das Finanzinstitut will darauf lieber verzichten. Die beiden Parteien einigen sich aussergerichtlich.
Für die alleinerziehende Mutter eine grosse Erleichterung. «Endlich bin ich schuldenfrei», sagt sie. Und rät: «Finger weg von solchen Krediten.»
Wer sich dennoch wegen eines Kredits in einer Schuldenfalle befindet, soll sich Hilfe holen. Beatrice erleichtert: «Dank der Hilfe der Schuldenberatung bin ich nun befreit.»
* Name von der Redaktion geändert.