Ärmere greifen wegen Inflation oft zu Fastfood
Das Wichtigste in Kürze
- Wegen hohen Lebensmittelpreisen können sich Schweizer weniger Obst und Gemüse leisten.
- Auch Angehörige der Mittelschicht verzichten öfter auf Bio oder gehen zur Tafel.
- Das kann sich auch auf die Gesundheit auswirken.
Durch die Inflation sind in der Schweiz auch die Lebensmittelpreise gestiegen. Dies betrifft vor allem Armutsbetroffene oder armutsgefährdete Menschen. «Sie müssen oft auf Grundnahrungsmittel zurückgreifen und etwa den Einkauf von Obst und Gemüse reduzieren», erklärte Caritas gegenüber Nau.ch.
Wird unsere Gesellschaft dadurch ungesünder? Ist es bald wie in den USA, wo Fastfood günstiger ist als frisches Essen?
Es sei schon länger bekannt, «dass Kinder aus tieferen sozialen Schichten stärker von Fettleibigkeit betroffen sind», sagt Armutsexperte Franz Schultheis. Das sei auch in der reichen Schweiz so, weiss der Soziologe der Zeppelin-Universität Friedrichshafen (D), der lange auch in St.Gallen unterrichtet hat.
Kinder aus der Mittelschicht seien etwa stärker vor dem Konsum von Süssgetränken oder ungesunden Snacks behütet. «Geringverdiener kaufen, was zum kleinsten Preis am meisten sättigt», erklärt Schultheis.
Wertvorstellungen ausschlaggebend
Dabei ist aber nicht immer nur der Preis ausschlaggebend. Das sagt hingegen der Arzt und Ernährungsexperte David Fäh von der Berner Fachhochschule auf Anfrage.
«Manchmal hat es auch mit Einstellung und Wertvorstellungen zu tun, die sich in entsprechenden Konsumgewohnheiten widerspiegeln.» So konsumieren Menschen aus tieferen sozialen Schichten mehr Fertigprodukte, auch wenn selbst zu kochen oft günstiger wäre.
Die Unterschiede sind dabei markant: «Das Risiko für Fettleibigkeit ist viermal höher, wenn man nur die obligatorische Schule abgeschlossen hat, als wenn man studiert hat», so Fäh.
Untere Mittelschicht muss sparen
Mit den höheren Lebensmittelpreisen muss aber nicht mehr nur die Unterschicht sich sparsam ernähren. «Tafelangebote, etwa von der Caritas, haben an Kundschaft gewonnen, auch aus der unteren Mittelschicht», so Schultheis. Die Zahl der davon abhängigen Menschen sei stark gestiegen.
Das sieht man vor allem auch bei den Bio-Produkten, die vor allem von der Mittelschicht gekauft werden. «Es gibt einen Rückgang beim Verkauf von rund 30 Prozent», so Schultheis. «Das zeigt ganz klar die Abwanderung von Angehörigen der Mittelschicht.»
Betroffene aus der unteren Mittelschicht würden zwar weiterhin auf gesunde Ernährung achten, aber trotzdem öfter auf Bio verzichten, so der Experte. Dies haben auch die Detailhändler gemerkt. Wie Migros und Coop gegenüber Nau.ch bestätigten, ist die Nachfrage bei Budget-Produkten stark angestiegen.
Schultheis warnt: «Auch wenn die Inflation zurückgeht, könnte es dauerhafte Veränderungen im Konsumverhalten geben.» So könnten Discounter wie Denner, Lidl oder Aldi auch weiterhin mehr Kunden gewinnen.
Gesund ernähren mit kleinem Budget
Dabei gibt es einige einfache Prinzipien, durch die gesunde Ernährung auch bei kleinem Budget möglich ist. Besonders viel macht der Konsum von zucker- oder alkoholhaltigen Getränken aus, erklärt Fäh. Trinkt man stattdessen Wasser, kann schnell viel Geld gespart werden.
Müssen Sie sich beim Einkaufen stärker auf ihr Budget achten?
Und: «Selber zubereiten und vorkochen ist oft günstiger, gerade junge Männer tun dies nur selten. Dabei ist das auch viel gesünder», so der Experte der BFH. Zudem sollte man seinen Fleischkonsum, gerade bei rotem Fleisch, reduzieren – das spare auch Geld.
«Im schlimmsten Fall gibt es durch die Tafel und Caritas zahlreiche Hilfsangebote», meint Fäh. Dort werde zudem darauf geachtet, dass das Essen auch gesund und ausgewogen sei.