Eine Assistenzärztin hat ihrem Chef verschwiegen, dass sie Mutter ist. Sie fürchtet, dass der «Mutterstempel» ihre Karrierechancen schmälern könnte.
Eine Assistenzärztin betreut auf der Intensivstation des Gemeinschaftskrankenhauses Havelhöhe einen Covid-19-Patienten. Foto: Christoph Soeder/dpa
Eine Assistenzärztin betreut auf der Intensivstation des Gemeinschaftskrankenhauses Havelhöhe einen Covid-19-Patienten. Foto: Christoph Soeder/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Eine Schweizer Assistenzärztin hat ihrem Chef nicht gesagt, dass sie einen Sohn hat.
  • Sie befürchtet, dass der «Mutterstempel» ihre Karrierechancen schmälern könnte.
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Eine Schweizer Assistenzärztin hat ihrem Chef verschwiegen, dass sie Mutter ist. Aus Angst, der «Mutterstempel» könnte ihre Karrierechancen schmälern. Ihre Geschichte hat die 30-Jährige den «Tamedia»-Zeitungen erzählt.

Die Geschichte beginnt, als die junge Frau mit 23 an einer Schweizer Universität mit dem Medizinstudium beginnt. Ein Dozent habe gegenüber den Studierenden in einer Einführungsvorlesung gesagt: «Wenn ihr Kinder haben wollt, dann ist jetzt der Zeitpunkt.»

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Für die heutige Assistenzärztin macht das Sinn. Denn nach dem Studium folgt die langjährige Assistenzzeit mit Überstunden, Schichtarbeit und kaum Möglichkeiten auf Teilzeitarbeit. «Also entweder im Studium Kinder oder dann mit Ende 30», denkt sich die junge Frau damals.

Zwei Jahre später lernt sie ihren heutigen Mann kennen – auch er ist damals Student. Sie beschliessen an einem warmen Sommerabend am Fluss, dass sie gemeinsam eine Familie gründen wollen. Kurz darauf ist die heutige Assistenzärztin schwanger.

Der Geburtstermin fällt auf den Start des fünften Studienjahres. Das Ziel der jungen Frau ist es, ohne Unterbruch weiterzumachen. Im Oktober kommt schliesslich ihr Sohn zur Welt.

Assistenzärzte Spital Arbeitszeiten
Eine Assistenzärztin hat ihrem Chef verschwiegen, dass sie ein Kind hat. Sie fürchtet, dass ihr der «Mutterstempel» in ihrer Karriere schaden könnte. - Keystone

Drei Wochen später werden schon wieder Uni-Kurse besucht – ihr Freund tritt zu diesem Zeitpunkt seine erste Arbeitsstelle an. Im Januar folgt der Abschluss mit den Semesterprüfungen. Bestanden.

Ein halbes Jahr nach der Geburt des Kindes startet die heutige Assistenzärztin schliesslich ins Unterassistenzjahr und macht Praktika in verschiedenen Spitälern. Ihr Sohn geht von da an vier Tage in der Woche in die Kita und wird an einem Tag von einer Familienfreundin betreut.

Zu Sohn geschickt, statt bei Operationen helfen zu dürfen

Die junge Ärztin leistet in ihrem ersten Jahr viel – und ist erfolgreich. Doch sie merkt auch, dass die Leute sie nicht mehr so wahrnehmen wie vor der Mutterschaft. «Plötzlich hatten alle eine Meinung zu meinem Leben», sagt sie.

Auch wenn es die Arbeitskollegen gut mit ihr meinen, hat sie das Gefühl, dass ihr der «Mutterstempel» schadet. Unter anderem wurde sie nach Hause geschickt zu ihrem Sohn, statt bei Operationen assistieren zu dürfen, da dies oft mit Überstunden verbunden ist.

Die junge Ärztin sagt, sie habe oft erlebt, dass man ihr gesagt habe, sie solle doch nach Hause gehen, da ihr Kind sicher schon warte. «Dabei hatte ich wirklich Bock zu arbeiten.» Als Konsequenz hört sie schliesslich auf, von ihrem Sohn zu erzählen.

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«Irgendwann werde ich meinen Vorgesetzten erzählen, dass ich Mutter bin», sagt die junge Assistenzärztin. - Depositphotos

Als die junge Frau schliesslich ihr Studium abschliesst, tritt sie eine Stelle als Assistenzärztin an. Beim Bewerbungsgespräch erwähnt sie ihren Sohn nicht. Bald hat sie ihr erstes Jahr hinter sich und sagt: «Irgendwann werde ich meinen Vorgesetzten erzählen, dass ich Mutter bin.»

Bevor sie den Schritt wage, müsse sie aber noch mehr Selbstbewusstsein im Beruf sammeln. «Ich probiere so gut zu arbeiten, dass mich meine Chefs auch dann noch fördern wollen, wenn sie wissen, dass ich Mutter bin. Das ist mega schlimm, aber es ist so.»

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