Bauern wollen mit verbotener Gentech die Kartoffelernte retten
Schweizer Bauern kämpfen mit Mega-Ernteausfällen bei Kartoffeln. Sie hoffen nun auf die Gentechnik. Die Pläne sorgen auch für Kritik.
Das Wichtigste in Kürze
- Schweizer Bauern möchten wegen Pilzkrankheiten auf Gentech-Kartoffeln setzen.
- Die Gentechnik soll den Einsatz von Pestiziden reduzieren und die Erträge steigern.
- Der Bundesrat prüft Lockerung der Gentech-Regeln. Das sorgt auch für Kritik.
Harte Zeiten für Schweizer Bauern: Die vielen Niederschläge im vergangenen Jahr haben Pilzkrankheiten wie die Kraut- und Knollenfäule auf Kartoffeln stark begünstigt.
Die Ernte fiel dementsprechend dürftig aus. Ohne Importe gäbe es in der Schweiz eine Kartoffelknappheit!
Weil die Situation angespannt bleibt, hoffen die Kartoffelproduzenten nun auf eine Wunderwaffe: nämlich auf Gentech-Kartoffel-Sorten.
«Wir sind offen gegenüber solchen Entwicklungen», frohlockt Christian Bucher, Geschäftsführer der Branchenorganisation Swisspatat, gegenüber Nau.ch.
Doch: Die Gentech-Kartoffeln sind derzeit verboten.
Bauern wollen auf resistente Kartoffelsorten setzen
Neue Züchtungsverfahren versprechen, dass die Sorten innert kurzer Zeit robust gegen die schädlichen Pilze gemacht werden können. «Zwar kann man auch mit konventionellen Methoden robuste Sorten züchten. Das dauert aber viel länger und erwünschte Eigenschaften der Kartoffel gehen dabei verloren.»
Doch genau hier widerspricht Claudia Vaderna, Geschäftsleiterin der Schweizer Allianz Gentechfrei.
«Dazu braucht es keine Gentechnik», sagt sie gegenüber Nau.ch. «Denn es sind bereits Sorten aus klassischer Züchtung verfügbar, die gegen Kraut- und Knollenfäule resistent sind.»
Zudem warnt sie vor möglichen Gefahren der Gentechnik – und zählt auf: Risiken der Technik, die Risiken von ungewollten Auskreuzungen, Abhängigkeiten vom Ausland für Pflanzgutversorgung und die weitere Monopolisierung des Saatgutmarktes.
Bauern hoffen auf weniger Pestizide
Christian Bucher von Swisspatat erklärt den grossen Vorteil bei robusten Sorten so: «Man muss weniger Pflanzenschutzmittel einsetzen, wodurch der Anbau der Kartoffeln nachhaltiger wird.»
Und: «Aktuelle Versuche zeigen, dass mit dem Einsatz von robusten Kartoffelsorten der Fungizid-Einsatz um bis zu 75 Prozent reduziert werden kann.»
Als Fungizide bezeichnet man chemische oder biologische Wirkstoffe, die Pilze abtöten.
Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln sei heute im Kartoffelbau für Bauern unerlässlich. «Wenn man herkömmliche Kartoffelsorten nicht mit Fungiziden behandelt, hat man bei Befall innert weniger Tage einen Totalausfall.»
Bucher betont daher: «Auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln kann man daher momentan nicht verzichten – auch nicht beim Bio-Anbau.»
«Man pflanzt nichts Artfremdes ein»
Die Gentech-Züchtungen haben noch einen weiteren Vorteil. «Bei den langen konventionellen Züchtungszyklen gehen oft positive Eigenschaften wie der Geschmack verloren. Mit der Genschere kann man relativ elegant sämtliche gute Eigenschaften in der Kartoffel behalten.»
Bucher betont: «Mit der Genschere nutzt man das Genmaterial innerhalb der Kartoffel und optimiert dieses. Man pflanzt also nichts Artfremdes ein.»
Oft aber gehen Kritikerinnen und Kritiker genau davon aus. «Ein Grossteil der Kritik an Gentechik richtet sich an die Züchtungsverfahren der ersten Generation. Hier gab es tatsächlich Anwendungsbereiche, die der Landwirtschaft und der Umwelt nicht immer einen Mehrwert geliefert haben.»
Die Gentechnik sei inzwischen aber deutlich fortgeschritten, so Bucher.
Claudia Vaderna von der Allianz Gentechfrei betont hingegen, dass es Alternativen zur Gentechnik gebe. «Die Sortenwahl ist zentral. Es gibt resistente Sorten aus klassischer Züchtung, die auch im nassen Sommer letztes Jahr zu guten Erträgen geführt haben.»
Darüber hinaus gebe es Massnahmen, damit Bauern den Krankheitsdruck senken könnten: «Eine massvolle Düngung, ein optimiertes Kulturmanagement, die geografische Lage der Parzelle oder Diversifizierung des Anbausystems.»
Bundesrat will Gentech-Regeln lockern – Kritik
Noch können hierzulande aber keine Gentech-Kartoffeln angepflanzt werden. In der Schweiz gilt ein Gentech-Moratorium, das ein befristetes Verbot für den Anbau gentechnisch veränderter Organisation vorsieht.
Der Bundesrat prüft derzeit, ob die Regeln für die Genschere in der Schweiz gelockert werden sollen. In der EU gibt es bereits einen Entwurf für ein Gesetz, woran sich der Bundesrat orientiert.
«Es ist wichtig, dass die Schweiz der EU folgt», sagt Christian Bucher von Swisspatat. Denn: «Heute kommen sämtliche Kartoffelzüchtungen für den Erwerbsanbau aus dem europäischen Ausland.»
Er warnt: «Ohne ein entsprechendes Gesetz werden wir früher oder später keine neuen Sorten mehr haben und nicht mehr am Zuchtfortschritt teilhaben».
Doch Gentech-Gegnerin Claudia Vaderna kritisiert das geplante Spezialgesetz scharf: «Auch die neue Gentechnik ist Gentechnik und müsste dementsprechend im bestehenden Gentechnikgesetz reguliert werden. Das Spezialgesetz ist ein irreführendes Manöver vom Bundesrat, um das Moratorium zu umgehen.»
Das Bundesamt für Umwelt (Bafu) sagt zum aktuellen Stand des geplanten Spezialgesetzes: «Vorgesehen ist, dass der Bundesrat die Vernehmlassung zum Vorschlag in der ersten Hälfte dieses Jahres eröffnen wird.»