Trotz Gesetz: Bauern verbergen, wo sie Pestizide einsetzen
Vor der Abstimmung über die Trinkwasser-Initiative haben die Bauern versprochen, Details über den Einsatz von Pestiziden offenzulegen. Es passiert: nichts!
Das Wichtigste in Kürze
- Seit Jahresbeginn müssten die Schweizer Bauern ihre eingesetzten Pestizide melden.
- Die Erfahrung zeigt: Es tut sich nichts. Im Gegenteil: Das Gesetz wird verwässert.
- Bundesrat Guy Parmelin warnt daher vor einem Vertrauensverlust.
Vor drei Jahren hat das Schweizer Stimmvolk die Trinkwasser-Initiative abgelehnt. Auch im Vertrauen darauf, dass die vom Parlament beschlossenen Massnahmen zum Schutz von Grund- und Oberflächengewässern umgesetzt werden.
Doch genau diese Massnahmen stehen nun auf der Kippe. Vor allem wegen der seit Jahresbeginn geltenden Meldepflicht für Pestizide.
Diese verlangt von Bauern, den Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln genau zu dokumentieren: Menge, Zeitpunkt und Ort.
Nationalrat Markus Ritter war sich bei einem Treffen mit dem Bundesamt für Landwirtschaft der Details des Gesetzes «nicht mehr bewusst». Ritter ist Präsident des Bauernverbands und gilt als meisterhafter Lobbyist.
Gesetz auf Eis gelegt: Bauernverband setzt sich durch
Das Bundesamt liess die Bauernlobby gewähren – und reagierte. Die ursprünglich strenge Meldepflicht für Pestizide wurde massiv abgeschwächt und auf 2027 verschoben. Dabei sollte sie bereits Anfang 2024 in Kraft treten.
Mit der Meldepflicht könnte etwa nachvollzogen werden, welche Pestizide in welchen Mengen in Gewässer gelangen.
Brisant: An über 60 Prozent der Messstellen im Mittelland werden die gesetzlichen Pestizidgrenzwerte überschritten. Bis heute wissen die Behörden nicht, wer wo Gifte einsetzt.
Doch statt Transparenz hagelte es Forderungen von Bauernvertretern.
Ein Dokument des Amts für Landwirtschaft zeigt: Die Bauern wehren sich vehement dagegen, genaue Angaben zu behandelten Flächen zu machen. Sie stören sich am grossen Aufwand, den die Dateneingabe erfordert.
Dabei argumentiert das Bundesamt, dass die Meldepflicht keinen zusätzlichen Aufwand bedeute. Bauern dokumentieren ihren Pestizidverbrauch ohnehin – nun müssten die Daten lediglich digitalisiert werden. Dennoch blieb die Bauernlobby auf Konfrontationskurs.
«Unverhandelbar»: Bauern blockieren Digitalisierung
Der Protest gipfelte im Dezember 2023 in einem Schreiben des Berner Bauernverbands: Die Bauern forderten, über die Weitergabe der Daten selbst zu entscheiden.
Diese Forderung sei «nicht verhandelbar». Offenbar sorgte vor allem die Angst vor möglicher Kritik von Umweltorganisationen für Unruhe.
Agrarökonom Robert Finger von der ETH Zürich sagt gegenüber dem Konsumentenmagazin «Saldo»: «Andere Länder zeigen, dass Meldepflichten den Einsatz riskanter Pestizide effektiv senken können.» Er nennt Dänemark als gutes Beispiel.
Pestizidmeldepflicht vor dem Aus?
Ob die Meldepflicht in der Schweiz jemals vollständig umgesetzt wird, ist fraglich. Selbst die abgespeckte Variante, bei der Bauern ab 2027 zunächst nur Lagerbestände melden sollen, stösst auf Widerstand.
Die SVP will das System ganz kippen. Ein entsprechender Vorstoss des Nationalrats liegt bereits im Ständerat.
Bundesrat Guy Parmelin warnte eindringlich: Die Abschaffung der Meldepflicht untergrabe das Vertrauen der Bevölkerung. «Das Volk hat die Trinkwasser-Initiative abgelehnt, im Glauben, dass der Schutz der Gewässer anderweitig gewährleistet wird.»