Bilanzskandal ruft EU auf den Plan: «Wirecard ist ein Weckruf»
Erst sehr spät flog das 1,9-Millionen-Loch in der Bilanz von Wirecard auf. EU-Vertreter sehen systemische Probleme und wollen nun nachbessern.

Das Wichtigste in Kürze
- Der Skandal um Finanzdienstleister Wirecard zieht weite Kreise.
- EU-Finanzkommissarin McGuiness fordert Reformen.
- Bis Ende 2022 soll ein neuer Vorschlag vorliegen.
Aus dem milliardenschweren Bilanzskandal bei Wirecard will nun auch die Europäische Union Konsequenzen ziehen. EU-Finanzmarktkommissarin Mairead McGuinness kündigte bis Ende kommenden Jahres einen Vorschlag zu einer Reform der Unternehmensbilanzierung und deren Überprüfung an.
«Wirecard ist ein Weckruf», sagte die Irin in einer Rede vor dem «European Policy Centre». «Wirecard hat den Leuten eine Geschichte erzählt und verkauft, die nicht wahr war.»McGuinness will an drei Stellschrauben drehen: an den internen Prüfungsausschüssen, an den externen Wirtschaftsprüfern und an deren Aufsichtsbehörden.
Nach der Sommerpause solle eine öffentliche Konsultation dazu beginnen. Es gehe darum, die Qualität der Bilanzierung börsennotierter Unternehmen zu verbessern – und darum, das auch durchzusetzen.
1,9-Milliarden-Loch bleibt lange unentdeckt
Der bis in den Dax aufgerückte Zahlungsabwickler Wirecard hatte 2020 einräumen müssen, dass in seiner Bilanz 1,9 Milliarden Euro fehlten. Sie hätten angeblich auf Treuhandkonten in Asien gelegen. Die Wirtschaftsprüfer von EY hatten die Bilanzen von Wirecard jahrelang testiert.
Weder die Finanzaufsicht BaFin noch die Wirtschaftsprüfungs-Aufsicht Apas hatten schnell genug auf jahrelange Gerüchte und Berichte über Unregelmässigkeiten reagiert. Insolvenzverwalter Michael Jaffe geht davon aus, dass die 1,9 Milliarden Euro nie existiert haben.
EU muss «entschiedener handeln»
Eine EU-weite Reform der Wirtschaftsprüfung war 2016 in verwässerter Form umgesetzt worden. McGuinness sagte, die EU müsse «mehr tun und entschiedener handeln», um ausreichend Wettbewerb unter den Wirtschaftsprüfern zu gewährleisten. Die «grossen Vier», KPMG, Deloitte, EY und PwC kommen zusammen auf 92 Prozent Marktanteil. Qualitätsmängel in der Prüfung könnten auch daher rühren, dass sie sich auf lukrativere Beratungsmandate konzentrierten, sagte die Kommissarin.
Die Wirtschaftsprüfer-Aufsichtsbehörden in ganz Europa hätten Probleme mit internen Qualitätskontrollen ausgemacht, auch bei Unternehmenseinheiten, die als hochriskant eingestuft würden. Die Finanzmarktkommissarin will nun untersuchen lassen, ob die Verantwortung von Aufsichtsräten und Vorständen für die Richtigkeit der Bilanzen klar genug geregelt ist. Dabei könne die Einrichtung von Prüfungsausschüssen vorgeschrieben werden. Ein solches Gremium hatte es im Wirecard-Aufsichtsrat bis kurz vor der Pleite nicht gegeben.