Bundesgericht: Afghane darf Tochter in die Schweiz holen
Das Bundesgericht rüffelt das Aargauer Verwaltungsgericht und erlaubt einem Afghanen, seine Tochter in die Schweiz zu holen.
Das Wichtigste in Kürze
- Ein Afghane wollt seine Tochter und seinen Sohn in die Schweiz holen.
- Das Aargauer Verwaltungsgericht erlaubte den Nachzug des Sohnes, aber nicht der Tochter.
- Die Bundesrichter haben das Urteil nun korrigiert, die Tochter darf in die Schweiz kommen
Am 20. Dezember 2021 reichte ein Vater beim Aargauer Amt für Migration und Integration (Mika) ein Gesuch um Familiennachzug ein. Er wollte seine beiden Kinder, ein Sohn, geboren 2008 und eine Tochter, Jahrgang 2004, in die Schweiz holen.
Die beiden waren in Afghanistan zur Welt gekommen. Sie lebten aber nach dem Tod ihrer Mutter im Jahr 2018 bei der Grossmutter in Pakistan. Der Vater, der bereits 2009 in die Schweiz geflüchtet war, hatte seit dem 1. Dezember 2021 eine Niederlassungsbewilligung.
Das Amt lehnte den Antrag jedoch ab. Es fehlten «wichtige Gründe» für einen nachträglichen Familiennachzug, hiess es.
Dies galt auch, nachdem die Grossmutter im April 2022 verstorben war. Die Kinder (damals 14 und 18) standen plötzlich ohne familiäre Unterstützung da und mussten sich allein in Pakistan durchschlagen.
Später kehrten sie nach Afghanistan zurück. Dort wurden sie erst von einem Onkel der verstorbenen Mutter betreut, bevor sie erneut nach Pakistan gingen. Darüber berichtet die «Aargauer Zeitung» unter Berufung auf den Anwalt des Vaters.
Verwaltungsgericht erlaubte Nachzug von Sohn – aber nicht von Tochter
Mit der Ablehnung des Antrags gab sich der Vater nicht zufrieden. Er legte Beschwerde beim Aargauer Verwaltungsgericht ein. Dieses entschied im vergangenen Jahr teilweise zu seinen Gunsten.
Der Sohn durfte in die Schweiz nachziehen, die Tochter jedoch nicht. Das Gericht folgte der Argumentation des Migrationsamtes: Die Tochter sei bis zur Volljährigkeit von der Grossmutter betreut worden. Deshalb bestehe bei ihr kein Anspruch auf nachträglichen Familiennachzug.
Der Vater wollte dieses Urteil nicht hinnehmen und zog den Fall vor das Bundesgericht. Dort bekam er recht: Die Bundesrichterinnen und der Bundesrichter kamen zu dem Schluss, dass die Voraussetzungen für den Familiennachzug der Tochter erfüllt sind.
Bundesgericht: Kinder dürfen nicht getrennt werden
Die Richter in Lausanne kritisierten das Aargauer Verwaltungsgericht dafür, die beiden Geschwister getrennt zu haben. Schliesslich hätten sie ihr gesamtes Leben zusammen verbracht – eine erneute Spaltung der Familie sei unzumutbar.
Zudem sei der Kontext, in dem das Gesuch gestellt wurde, entscheidend: Die Übernahme der Macht durch die Taliban im Sommer 2021 habe die Situation in Afghanistan erheblich verschärft.
Frauen seien dort zunehmend Repression und Diskriminierung ausgesetzt. Besonders für die 19-jährige unverheiratete Tochter ohne nähere männliche Verwandte bestehe ein hohes Risiko einer Zwangsverheiratung.
Das Bundesgericht erkannte daher einen wichtigen familiären Grund für die nachträgliche Familienzusammenführung. Es wies das Migrationsamt an, der Tochter eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen.
Spätestens am 18. Februar soll die Familie wieder vereint sind
In dem Bericht heisst es weiter, dass der Vater seine Kinder in seiner Mietwohnung aufnehmen werde. Er verfügt laut den Gerichten über die finanziellen Mittel, um sie zu versorgen, und ist nicht auf Sozialhilfe angewiesen.
Sein Anwalt zeigte sich gegenüber der «AZ» erleichtert: «Die Geschwister haben am 8. Januar einen Termin auf der Schweizer Botschaft in Islamabad. Dort erhalten sie das Visum.»
Wenn alles planmässig verlaufe, könnten die Kinder bereits wenige Tage nach der Visumserteilung in die Schweiz reisen. Spätestens am 18. Februar soll die Familie demnach wieder vereint sein. Das Ende eines langen juristischen Kampfes und der Beginn eines neuen Lebensabschnitts.