Coronavirus: Der Verdacht machte mich fertig!
Peter S.* (28) dachte, er habe in Italien das Coronavirus aufgelesen. In der Schweiz durchlief der Berner eine wahre Odyssee.
Das Wichtigste in Kürze
- Peter S. (28) dachte, er habe sich in Italien mit dem Coronavirus angesteckt.
- Zuhause in Bern durchlief er eine wahre Odyssee.
- Nach 36 Stunden kam endlich das negative Testergebnis.
Peter S.* (28) dachte, er habe in Italien das Coronavirus aufgelesen. Zurück in der Schweiz, durchlief der Berner bis zum negativen Bescheid eine wahre Odyssee. Hier erzählt er selber davon:
«Ich machte mit meiner Freundin Ferien im Piemont und in der Lombardei. Am Samstag vor einer Woche traten wir die Heimreise an.
Am Bahnhof in Mailand sahen wir ein paar Leute mit Gesichtsmasken. Wir dachten uns aber nichts dabei. Am Flughafen sieht man ja auch immer solche Passagiere.
Wir wussten zu diesem Zeitpunkt nichts von den Fällen des Coronavirus in Italien. Wir waren ja in den Ferien und zogen uns nicht dauern die News rein.
Den ganzen Tag müde
Zuhause in Bern häuften sich dann aber die Meldungen über das Coronavirus. Ich fühlte mich eigentlich gesund, das sagte ich auch meinem Chef.
Am letzten Donnerstag fühlte ich mich dann aber den ganzen Tag sehr müde. Ich wusste nicht weshalb. Die Meldungen zum Coronavirus waren omnipräsent in den Medien.
Am Abend hatte ich eine heisse Stirn und ein Kratzen im Hals. Ich fing an, mich zu fragen, ob ich das Coronavirus habe. Ich konnte mich nicht mehr von diesem Gedanken lösen.
Man erzählt niemandem gern etwas in so einer Situation. Ich wollte keine Panik säen.
Ungewissheit das Schlimmste
Ich sagte es aber meiner Freundin, die keine Symptome hatte. Am Abend telefonierte ich meinem Chef. Ich sagte ihm, dass ich mir Sorgen mache.
Die Ungewissheit ist das Schlimmste. Wir kamen überein, dass es wohl am schlausten sei, den Test zu machen. Ich sagte mir, das Wohl der anderen ist mir wichtiger als die wirtschaftlichen Folgen. Ich war froh, dass ich nicht mehr allein mit dem Problem war.
Telefon-Marathon
Ich versuchte, am Donnerstagabend die Coronavirus Hotline des BAG zu erreichen. Doch die ist laut Information im Internet nur bis 18 Uhr offen. Ich war etwa zehn Minuten in der Warteschleife. Das Band teilte mir mit, dass die Hotline überlastet ist.
Dann rief ich das Inselspital an. Die verbanden mich schliesslich mit einer anderen Hotline. Ich schilderte meine Symptome.
Ich sagte der Ärztin, ich hätte erhöhte Temperatur. Sie fragte, ob ich einen Husten hätte, ich verneinte. Dann versuchte die Ärztin, mich zu beruhigen. Irgendwie war mir das aber nicht genug.
Ich hatte zeitweise das Gefühl, dass die zuständigen Stellen überfordert waren. Es war mühsam, eine halbe Stunde in einer Warteschlaufe zu hängen. Ich habe mich gefragt, ob ich einfach nur zu ängstlich bin.
Ich rief dann das Notfallzentrum einer Apotheke in Bern an. Die verbanden mich weiter ins Inselspital. Dort landete ich wieder auf einem Bändchen und bekam keine befriedigende Antwort.
Eine Stunde zu Fuss ins Spital
Schliesslich telefonierte ich ins Lindenhofspital. Ich bekam eine Ärztin ans Telefon. Sie wollte Rücksprache mit dem Oberarzt nehmen.
Sie rief zurück, sagte, sie habe ihren Chef nicht erreichen können. Ich solle aber vorbeikommen.
In so einer Situation soll man ja nicht den ÖV benutzen. Ich habe kein eigenes Auto. Also machte ich mich am Donnerstagabend zu Fuss auf den Weg.
Nach einer Stunde und heftigem Schneefall kam ich gegen 21 Uhr im Lindenhofspital an. Ich rief den Empfang von draussen an. Man sagte mir, ich solle reinkommen und meine Maske anziehen. Ich hatte aber keine Maske.
Nach zehn Minuten kam dann jemand mit einer Maske für mich raus. Dann wurde ich in ein Zimmer geführt.
Es war sehr unangenehm, bei alle den anderen wartenden Leuten mit einer Maske vorbeizulaufen. Man wird von allen komisch angeschaut. Ich fühlte mich wie ein Aussätziger.
Formular nicht angefasst
In dem Raum sagte man, ich solle hier warten und meine Jacke ausziehen. Nach einer halben Stunde kam ein Mann in einem Schutzanzug. Ich musste das übliche Formular der Patientenaufnahme ausfüllen, mit den Angaben zur Krankenkasse und so weiter.
Der Spitalmitarbeiter fasste das Formular nicht an. Er forderte mich auf, es selber in sein Mäppchen zu legen.
Nach einer weiteren halben Stunde kam der Mann mit einer Assistenzärztin zurück. Die Frau war freundlich, ich hatte das Gefühl, dass sie keine Angst hat.
Ich kam mir erstmals nicht mehr wie ein Aussätziger vor.
Dann machte sie den Test aufs Coronavirus. Ein Stäbchen wird dabei in die Nase fast bis zum Rachen eingeführt. Der erste Versuch klappte nicht. Es tat sehr weh.
Beim zweiten Mal klappte es dann. Man sagte mir, ich müsse auf das Resultat höchstens 36 Stunden warten. Nach dieser Wartezeit sei das Resultat negativ.
Froh, nicht mehr allein zu sein
Auf dem Heimweg rief ich meine Angehörigen an. Ich wollte eigentlich am Samstag meiner Mutter beim Zügeln helfen. Doch das ging nun nicht mehr.
Ich rief auch meinen Arbeitgeber nochmals an. Ich war froh, mit dem Problem nicht mehr allein zu sein. Ich hatte nicht so sehr Angst vor dem Virus, sondern eher mehr vor den Folgen der gesellschaftlichen Isolation.
In der Nacht auf Freitag schlief ich schlecht. Ich war ziemlich gestresst. Ich riss zuhause die Fenster auf, um mehr Sauerstoff zu bekommen.
Mein Puls schlug Alarm. Ich brachte das mit dem Coronavirus in Verbindung, mein Hals war immer noch kratzig.
Ich hatte jetzt Angst. Der Verdacht wurde in meinem Kopf fast zur Gewissheit.
Ablenkung funktioniert nicht
Am Freitag versuchte ich, mich tagsüber zuhause abzulenken. Ich versuchte Hörbücher zu hören und Fernsehen zu schauen. Doch ich konnte meinen Kopf nicht von Thema Coronavirus befreien.
Ich dachte auch an meine Arbeitskollegen und fragte mich: Haben sie jetzt auch Angst?
Ich packte vorsorglich meine Tasche mit dem Nötigsten. Irgendwo hatte ich gelesen, dass einzelne Kantone spezielle Wohnungen für Coronavirus-Patienten zur Verfügung stellen.
Ich schaute ständig auf mein Handy. Ich dachte, wenn ich innerhalb von 36 Stunden keinen Anruf bekomme, ist der Test negativ.
Ich rief im Spital an. Dort hiess es, man habe noch nichts vorliegen. Am Abend fühlte ich mich immer gestresster.
Am Samstagmorgen ging es mir etwas besser. Es verblieben noch sechs Stunden bis zu einem Bescheid. Ich fragte mich, ob meine Symptome eventuell durch Stress hervorgerufen werden.
Erlösender Anruf: Kein Coronavirus
Ich rief am Vormittag wieder das Spital an. Am Empfang sagte man mir, man kläre es ab. Am Nachmittag rief ich wieder an. Jetzt sagte man mir, ich solle am Abend wieder anrufen.
Das war die schlimmste Zeit. Am Abend dann kam endlich der erlösende Anruf: Mein Test ist negativ.
Das war für mich sehr emotional. Ich spürte eine riesige Erleichterung. Doch es ging mir rasch besser.
Heute Sonntag ist der Stress noch nicht ganz abgefallen. Ich bin noch nicht ganz auf dem Boden angekommen.
Ich bin keiner, der wegen jedem Bobo gleich zum Arzt rennt. Ich war vor dieser Coronavirus-Odyssee sicher sechs Jahre lang nicht bei einem Arzt.»
*Name der Redaktion bekannt und geändert