Coronavirus: Kommen nach Impf-Empfehlung Skeptiker-Demos zurück?

Julian Blatter
Julian Blatter

Bern,

Der Bund empfiehlt eine vierte Impfung gegen das Coronavirus. Ob das wieder viele Massnahmengegner auf die Strasse zieht, hält Soziologe Kovic für fraglich.

Coronavirus Massnahmen Gegner
«Diktatur» steht auf der Nase-Mund-Bedeckung einer Teilnehmerin an einer «Querdenken»-Demonstration in Frankfurt am Main. Foto: Boris Roessler/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Die neue Impfempfehlung des Bundes: Alle sollen sich im Herbst nochmals boostern lassen.
  • Laut dem Soziologen Marko Kovic hat die Skeptiker-Szene darauf noch nicht gross reagiert.
  • Im Allgemeinen habe sich aber die Rhetorik verschärft. Es sei auch von Genozid die Rede.

Am Dienstag hat der Bund neue Impfempfehlungen zum Coronavirus herausgegeben. Die Impfkommission rät ab Herbst zum zweiten Booster – der vierten Impfung gegen das Coronavirus insgesamt. Melden sich damit die Corona-Skeptiker wieder zurück?

Bislang ist an der Schwurblerfront noch nicht viel passiert, wie Soziologe und Verschwörungs-Experte Marko Kovic beobachtet. Er sagt zu Nau.ch: «Soweit ich das auf Social-Media und Telegram überblicken kann, ist die Impfempfehlung noch nicht umfassend diskutiert worden.»

Gerade einmal eine Gruppierung habe die Impfempfehlung theatralisch kommentiert, um Anhänger zu mobilisieren. Die selbsterklärte Jugendbewegung ruft auf Telegram zum «Aufwachen» auf. Die unverbindliche Impfempfehlung gegen das Coronavirus nennt sie einen «sinnlosen Zwang». Doch alle anderen schweigen.

Skeptiker sind mit Ukraine-Krieg beschäftigt

Denn: Die Verschwörer sind derzeit anderweitig beschäftigt: «Der Krieg ist bei vielen Akteuren und Plattformen immer noch ein wichtiges Thema», so Kovic. Daniel Stricker von «Stricker TV» oder die «Weltwoche» würden regelmässig pro-russisch über den Krieg berichten. Ebenso Ivo Saseks «Sekten- und Verschwörungsportal ‹Klagemauer TV›».

Jedoch sei das «verschwörungsideologische Ökosystem» beim Ukraine-Krieg gespalten, meint Kovic. Als Beispiele nennt er den «Nebelspalter» oder den rechten Blog «Achse des Guten», die eine Russland-kritische Haltung eingenommen hätten.

Coronavirus: Vereinzelte Proteste im Herbst wahrscheinlich

Wird die Impfempfehlung wieder viele Menschen für Proteste im Herbst auf die Strassen treiben? Kovic: «Ich denke, dass vereinzelte Proteste wahrscheinlich sind.» Da es sich um eine Empfehlung und keine Massnahmen handle, «weiss ich nicht, ob die Proteste viele Menschen mobilisieren werden».

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Massenmord, Genozid und Diktatur – die Rhetorik hat sich verschärft

Kovic gibt zu bedenken: «Die Rhetorik hat sich deutlich verschärft. Mittlerweile ist die Rede von ‹Genozid› und ‹Massenmord›.»

Verschwörungsgurus wie Sucharid Bhakdi – ein deutscher Corona-Verschwörungsmythiker – würden behaupten, dass bald Milliarden wegen der Impfung sterben würden. «Das ist alles realitätsferne Fantasterei.» Aber es halte die Szene bei der Stange.

«Die Covid-Impfung hat sich in der Szene zu einem Symbol der Angst und Wut entwickelt», sagt Kovic. Der Bezug zur Realität sei in nicht unwesentlichen Teilen verloren gegangen. «Das übergeordnete Narrativ einer Diktatur und grossangelegter Unterdrückung ist heute in der Szene, denke ich, klar bemerkbar.» Die Erzählung laute: «Die (linke) Politik lügt, die Medien lügen, und sie wollen das gute Volk schädigen.»

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