Coronavirus: «Manche Ungeimpfte gehen aus Scham zu spät zum Arzt!»
Wer sich nicht gegen das Coronavirus impfen lässt, gefährdet die Gesellschaft. Was aber viele unterschätzen, ist die Gefahr der Ausgrenzung von Ungeimpften.
Das Wichtigste in Kürze
- Ungeimpfte Personen belegen die Intensivbetten der Schweizer Spitäler.
- Ein Engpass auf den Intensivstationen ist wohl bereits dieses Wochenende zu erwarten.
- Die Scham der Ungeimpften ist gemäss dem Noftall-Chef in Bern ein Grund dafür.
Die aktuelle Lage rund um das Coronavirus weckt unangenehme Erinnerungen an den Frühling 2020: Die Intensivstationen der Schweiz sind bereits zu 80 Prozent belegt – eine Erleichterung ist nicht in Sicht. Gemäss Prognose wird es in einigen Kantonen am Wochenende bei den Intensivbetten sogar knapp.
Die vierte Welle der Corona-Pandemie steht ganz im Zeichen der Ungeimpften.
Doch nicht nur der fehlende Impfschutz vor dem Virus befeuert das Szenario, erklärt Aristomenis Exadaktylos. «Ich merke, dass Ungeimpfte manchmal aus falscher Scham nicht rechtzeitig zum Arzt gehen», sagt der Chefarzt des Notfallzentrums des Inselspitals. Er ist auch Co-Präsident der Schweizer Gesellschaft für Notfall und Rettungsmedizin.
Coronavirus: Schamgefühle führen zu verspäteter Behandlung
Und genau hier findet der Arzt einen weiteren Ansatz für das Problem der vollen Intensivstationen: «Wenn man die erste Ausfahrt zum Hausarzt oder Notfallstation verpasst, muss man eben die zweite nehmen. Und die heisst in vielen Fällen eben ‹Intensivstation›».
Durch den wachsenden gesellschaftlichen und politischen Druck, sich impfen zu lassen, käme es in diesem Zusammenhang immer öfter zu Schamgefühlen. «Einige finden es peinlich zuzugeben, dass sie nicht geimpft sind.» Die Schlussfolgerung: «Ungeimpfte gehen aus Scham zu spät zum Arzt!»
Ärzte sollen Ungeimpfte nicht verurteilen
Exadaktylos betont: «Es ist nicht der Auftrag des Personals auf Notfallstationen, Menschen zu verurteilen oder zu bekehren – sondern sie zu behandeln.»
Er möchte ganz nach dem Motto «Erst helfen, dann reden» handeln. «Ungeimpften nicht helfen zu wollen, wie manche dies fordern, halte ich für den falschen Ansatz. Wenn ein Mensch krank ist, helfen wir. Was wirklich nicht passieren darf, ist eine medizinische Ausgrenzung nicht geimpfter Menschen», sagt der Chefarzt.
«Die Gesellschaft soll aber Solidarität einfordern dürfen, damit die Spitäler weiter normal funktionieren können.»
Dass die Covid-Impfungen essenziell für den Ausstieg aus der Pandemie sind, bleibt unangefochten. «Hierzulande gilt aber noch keine Impfpflicht und der Druck auf Nichtgeimpfte ist moderat. Aus diesem Grund muss man auch akzeptieren können, wenn Menschen sich eben nicht impfen lassen.»
Exadaktylos ruft drum auf: «Kommen Sie bitte rechtzeitig in den Notfall oder gehen Sie zu einem Arzt, das schützt Spitäler und Intensivstationen. Mit dem Coronavirus ist absolut nicht zu spassen!»