Coronavirus: Nahmen Diabetes-Diagnosen wegen Massnahmen zu?
Während der Pandemie nahm die Anzahl Diabetes-Diagnosen bei Kindern deutlich zu. Einige Experten vermuten die Massnahmen gegen das Coronavirus als Ursache.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Anzahl Diabetes-Neudiagnosen hat während Corona stark zugenommen.
- Forschende rätseln darüber, was dahintersteckt. Es gibt mehrere Erklärungsansätze.
- In einem davon spielen die Corona-Schutzmassnahmen eine Rolle.
Diabetes Typ 1 bricht meistens schon im Kindesalter aus. Dabei spielt die genetische Veranlagung eine zentrale Rolle: Nur, wer durch seine Gene dafür anfällig ist, kann daran erkranken.
Nun steht die Wissenschaft aber vor einem Rätsel. Denn während der Coronapandemie stieg die Anzahl Neuerkrankungen bei jungen Menschen sprunghaft an.
Die jährliche Steigerung lag laut internationalen Zahlen plötzlich bei rund zwanzig statt zwei Prozent.
Auch hierzulande machte sich dieser Trend bemerkbar.
Daniel Konrad, Chefarzt für pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie am Universitäts-Kinderspital Zürich, sagt gegenüber SRF: «Die höchsten Zahlen haben wir tatsächlich 2021 gehabt.»
Vor der Pandemie seien jährlich etwa 200 Kinder erkrankt. Im Jahr 2021 waren es dann zwischen 240 und 250. «Und zeitlich gibt es natürlich eine klare Koinzidenz zur Coronapandemie», hält er fest.
Untrainiertes Immunsystem
Aber weshalb häuften sich in dieser Zeit die Diabetes-Erkrankungen? Dazu gibt es mehrere Erklärungsansätze.
Einige Studien bringen den Anstieg der Diabetes-Neuerkrankungen mit den Coronamassnahmen in Verbindung. Das Immunsystem sei zu wenig trainiert worden.
«Wir haben Masken getragen. Wir haben die Hände desinfiziert. Wir sind nicht mehr rausgegangen», sagt Konrad.
Das Immunsystem sei weniger mit der Bekämpfung von anderen viralen Infekten beschäftigt gewesen.
«Und vielleicht kann das dann bei einem genetisch prädisponierten Menschen die Entwicklung einer Autoimmunität fördern», so der Arzt. «Ich glaube, das wäre auch möglich.»
Coronavirus als Triggerfaktor?
Anderen Studien zufolge könnte Sars-CoV-2 ein Triggerfaktor sein. Denn bei Diabetes spielen auch Umweltfaktoren eine Rolle.
Diese können dafür sorgen, dass sich bei Menschen, die die genetische Veranlagung dazu haben, Diabetes entwickelt.
Der Autoimmunprozess, der die insulinproduzierenden Bauchspeicheldrüsenzellen zerstört, wird ausgelöst oder beschleunigt.
Deutsche Forscher haben die Blutproben von 885 Kleinkindern mit Diabetes-Risikogenen untersucht.
Es stellte sich heraus, dass Kinder, die sich mit Corona infiziert hatten, doppelt so häufig ein Diabetes-Frühstadium entwickelten. Dies im Vergleich zu Kindern, die sich nicht mit Sars-CoV-2 infiziert hatten.
Es gibt jedoch auch eine dritte Möglichkeit: nämlich, dass es gar keinen echten Anstieg der Diabetes-Diagnosen gibt.
Denn seither hat die Anzahl der Diabetes-Neudiagnosen bei Kindern wieder abgenommen. Manche Experten gehen davon aus, dass es insgesamt nicht mehr Fälle gibt. Sondern dass sie einfach zeitlich früher aufgetreten sind und sich zu Beginn der Pandemie gehäuft haben.