Coronavirus: «Quarantäne für 50 Frauen ist unverhältnismässig»

Chiara Schlenz
Chiara Schlenz

Zürich,

Eine Sexarbeitende aus Zürich hat sich vergangene Woche mit dem Coronavirus infiziert. Ist das Sex-Milieu nun das neue Sorgenkind in Sachen Corona?

Valentin Landmann
Der Anwalt Valentin Landmann findet die Quarantäne für Sexarbeitende unverhältnismässig. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Eine Sexarbeitende hat sich an der Langstrasse mit dem Coronavirus infiziert.
  • Nun müssen 50 weitere Frauen in Quarantäne.
  • Unverhältnismässig findet das Rechtsanwalt Valentin Landmann.

An der Langstrasse in Zürich kam es zu einem «aussergewöhnlichen Fall». Eine Sexarbeiterin infizierte sich mit dem Coronavirus – 50 weitere Frauen müssen sich in Quarantäne begeben. Im Haus befindet sich die Kontaktbar «Lugano-Bar».

Coronavirus Langstrasse
Die «Lugano Bar» liegt an der Zürcher Langstrasse. Eine Sexarbeitende hat sich mit dem Coronavirus infiziert. - Googlemaps

Regelmässig gehen hier Freier und Sexarbeitende ein und aus. Normalerweise. Aufgrund der angeordneten Quarantäne wird es aber in der nächsten Zeit still werden um die Kontaktbar.

Ein grosses Problem für die dort angestellten Sexarbeitenden. Sie werden beinahe zwei Wochen lang kein Einkommen haben. Milieu-Kenner und Rechtsanwalt Valentin Landmann ist empört über die Massnahmen des Kantons und nimmt die Frauen in Schutz.

Coronavirus kein Thema im Sexgewerbe

Für Landmann ist klar: Die Quarantäne ist «absolut unverhältnismässig». Man hätte höchstens die Frauen in Quarantäne schicken sollen, welche sich mit der Infizierten ein Zimmer teilen.

valentin landmann
Valentin Landmann ist ein bekannter Zürcher Anwalt. - Keystone

«Aber direkt ein ganzes Haus? Das ist in dieser Situation doch nicht nötig», findet er. «Die Quarantäne geht meines Erachtens klar zu weit.» Über ein erneutes Sexkauf-Verbot, welches vorgängig schon gefordert wurde, möchte er gar nicht nachdenken.

Die Schutzkonzepte in den Kontaktbars und Etablissements könnten ja problemlos durchgesetzt werden, ist er überzeugt. «Und es gibt unzählige Möglichkeiten, wie man engen Kontakt mit dem Gesicht des Gegenübers vermeiden kann», schmunzelt der Anwalt.

Sexkauf-Verbot war ein Schuss in die Tonne

«Die ganzen Verbote im Sexgewerbe waren ein Schuss in die Tonne», empört sich Landmann weiter. Viel sinnvoller wäre ein breites Angebot an Tests gewesen um Ansteckungen zu vermeiden.

Und überhaupt glaubt Landmann zu wissen: «Das ist der wohl erste Corona-Fall im Schweizer Sexgewerbe!» Man solle nicht vergessen, dass «Prostituierte auch Menschen wie du und ich sind». Folglich könne sich die Frau auch beim Einkaufen oder im Restaurant mit dem Coronavirus angesteckt haben.

Quarantäne führt zu Erwerbsausfall

Landmann betont zuletzt nochmals die prekäre Lage der Sexarbeitenden: «Prostituierte sind ja sozial selten abgesichert. Ihnen so leichtsinnig den Erwerb wegzunehmen ist nicht sinnvoll.»

Coronavirus Sexarbeit
Ein Stripclub an der Langstrasse in Zürich. - Keystone

Auch Kari-Anne Mey, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit bei der «Zürcher Stadtmission», zeigt sich der Quarantäne gegenüber skeptisch. «Diese bedeutet Erwerbsausfall und führt bei Menschen mit geringem Einkommen schnell zu existenziellen Krisen.» Zwar nicht nur, aber besonders bei Sexarbeitenden sei dies ein grosses Anliegen.

Natürlich gebe es auch Sexarbeitende, die sich eine Quarantäne leisten könnten. «Andere wiederum stehen bei einer Quarantäne vor grossen Problemen, etwa weil sie keine finanziellen Reserven haben.»

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