Coronavirus: Skeptiker «kapern» mit geflammten Fahnen Kulturgut
Die Skeptiker der Massnahmen gegen das Coronavirus lassen nicht nur die Kuhglocken läuten, sie schwenken auch Fahnen. Allerdings nicht nur die Schweizer Fahne.
Das Wichtigste in Kürze
- Voller Stolz marschieren Skeptiker an Corona-Demonstrationen mit Schweizer Fahnen.
- Darunter sind teilweise auch geflammte Fahnen zu erkennen.
- Diese sind von historischer Bedeutung. Ein Experte klärt auf.
Sie ziehen durch die Berner Gassen und skandieren «Liberté». Auch diesen Donnerstagabend versammelten sich Hunderte Skeptiker der Massnahmen gegen das Coronavirus in Bern. Bei der unbewilligten Kundgebung fällt nicht nur die zunehmende Aggression und Gewaltbereitschaft auf. Auch die Fahnen der Teilnehmer stechen ins Auge.
Zu den zahlreichen herkömmlichen weissen Kreuzen auf rotem Grund gesellen sich nämlich immer wieder geflammte Fahnen. Dabei prangt in der Mitte die Schweizer Flagge auf weissem Grund. Drumherum sieht man rote und weisse Wellen, die nach aussen strahlen.
Die Demonstrationen der vergangenen Wochen zeigen: Immer wieder schwenken Skeptiker die geflammten Fahnen an vorderster Front.
Was hat es mit den Fahnen auf sich? Emil Dreyer, Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Fahnen- und Flaggenkunde weiss Antwort.
Coronavirus: Skeptiker marschieren mit Militärfahne
Dreyer zu Nau.ch: «Geflammte Fahnen sind von den militärischen Fahnen des 18. Jahrhunderts beeinflusst und sind ein typisch schweizerisches Fahnenmuster.»
Bis Mitte des 19. Jahrhunderts waren sie bei Vereinen, Zünften sowie im Militär weit verbreitet.
Danach verschwanden die Fahnen weitestgehend. Einzig «als dekoratives Muster in Fahnen» überdauerten die Flammen, meist in den Farben der Stände (heute Kantone) gehalten, so Dreyer.
Wer heutzutage eine geflammte Fahne hisst, will offenbar auf die Geschichte Bezug nehmen. Mit dem Flammenmuster drücke man eine «traditionelle, geschichtsträchtige Haltung aus», weiss der Fahnen-und-Flaggen-Kenner.
«Kulturgut aller Schweizer»
Die Motive dahinter könnten einerseits der «Respekt zur Geschichte und lokalpatriotische Traditionspflege» sein. Andererseits werde das Flammenmuster «jetzt von reaktionären, rückwärtsgewandten und ganz rechts beheimateten Gruppen bewusst politisch missbraucht», mahnt Dreyer.
Und weiter: «Die Fahne selbst ist ein Objekt, es sind die Menschen, welche diesem Objekt eine Bedeutung geben.»
Emil Dreyer findet deutliche Worte: «Die Gesellschaft muss dafür sorgen, dass unsere gemeinsamen Symbole nicht von einzelnen Gruppen ‹gekapert›, nicht in Beschlag genommen werden.»
Denn: «Fahnen im Flammenmuster sind schweizerisches Kulturgut, Kulturgut aller Schweizer.»