Coronavirus: Werden Corona-Skeptiker jetzt leiser?
Das Schweizer Stimmvolk sagt deutlich Ja zum Covid-19-Gesetz. Experten sagen, die Lage könnte sich nun beruhigen.
Das Wichtigste in Kürze
- 62 Prozent der Stimmenden sagen Ja zum Schweizer Covid-19-Gesetz.
- Experten schätzen ein, welche Auswirkungen das auf unsere Gesellschaft haben könnte.
- Die Hoffnung ist, dass demokratische Grundfragen nun mehr in den Vordergrund rücken.
Das Schweizer Stimmvolk hat dem Covid-19-Gesetz mit 62 Prozent Ja-Stimmen zugestimmt. Selten jedoch argumentierten Gegner und Befürworter bei einer Abstimmung so vehement dafür beziehungsweise dagegen. Da stellt sich die Frage, welche Auswirkungen das Ja auf die Gesellschaft haben könnte.
«Das deutliche Ja zum Covid-19-Gesetz ist ein Zeichen, dass sich die Gesellschaft eine konstruktive Corona-Politik wünscht», sagt Sozialwissenschaftler Marko Kovic. Die grosse Mehrheit verstehe den Ernst der Lage und wünsche sich einen seriösen Umgang mit ihr. «Das bedeutet auch, dass weniger Polemik und mehr sachliche Debatte gefragt ist.»
Kovic glaubt: «Die Lage könnte sich beruhigen; die sogenannte ‹Spaltung der Gesellschaft› könnte abnehmen.»
Laut dem Soziologen Ueli Mäder stütze das Ja das abwägende Bemühen des Bundesrates. «Es drückt aus, was die Stimmbevölkerung mehrheitlich will. Das hilft, Debatten zu versachlichen. Und rückt demokratische Grundfragen mehr in den Vordergrund.»
Coronavirus: Massnahmengegner werden wohl nicht leiser
Dass Massnahmengegner und Corona-Skeptiker nun leise werden, glaubt er hingegen nicht: «Aber etwas bedächtiger. Einzelne Corona-Skeptische haben sehr hohe Töne angeschlagen. Wichtig ist gegenseitiger Respekt», sagt Mäder auf Anfrage von Nau.ch.
Kovic glaubt hingegen, dass «die extremistischeren Massnahmengegner ihre Demagogie noch schriller in die Welt schreien». Das habe man bereits am Sonntagabend gesehen: «Die Rede ist von Manipulation und Betrug bei der Abstimmung, von Ablehnung des Ergebnisses.» Dieser Teil der Massnahmengegner lebe in einer Parallelwelt «mit sogenannten ‹alternativen Fakten›».
Auch hätten diese Kreise bereits weitere politische Aktivitäten und Ambitionen angekündigt, «etwa in Form der Quasi-Partei ‹Aufrecht Schweiz›». «Die Massnahmengegner wollen ihr Mobilisierungspotenzial, ihre Strukturen und ihre Ideologie weiter nutzen, einsetzen und verfechten.»
Jüngere skeptischer gegenüber Fachgremien?
Gemäss einer Tamedia-Nachbefragung haben 56 Prozent der 18- bis 34-Jährigen gegen das Covid-19-Gesetz gestimmt. Kovic könnte sich deswegen einerseits vorstellen, dass bei jüngeren Generationen die Risikowahrnehmung verzerrt sei. So würden einige Massnahmenkritiker behaupten, das Coronavirus stelle für Junge kein Risiko dar.
«Zum anderen müssen wir uns aber doch auch kritisch fragen: Wurden Jugendliche und junge Menschen in der aktuellen Pandemiepolitik genug berücksichtigt?» So wisse man aus der Swiss Corona Stress Study etwa, dass jüngere Menschen in der Pandemie überdurchschnittlich viel Stress empfinden.
Mäder betont, dass den Jüngeren die räumliche Beweglichkeit besonders wichtig sei. Zudem seien viele skeptischer gegenüber anerkannten Fachgremien. «Und die institutionelle Politik mag ihnen noch etwas weniger vertraut sein.»