Coronavirus: Wie wurde der Kanton Waadt zum Sorgenkind der Schweiz?
Das Wichtigste in Kürze
- In den letzten zwei Wochen entwickelte sich der Kanton Waadt zum Corona-Hotspot.
- Das Contact Tracing war zeitweise überfordert.
- Die Regierung hat lange gewartet, um Massnahmen zu treffen.
In den letzten zwei Wochen entwickelte sich der Kanton Waadt zum Corona-Hotspot der Schweiz. Rund ein Drittel aller Neuinfektionen mit dem Coronavirus in der Schweiz fanden letzte Woche im Waadtland statt. Die Regierung hat heute mit einer Verschärfung der Massnahmen reagiert: Die Nachtlokale werden geschlossen, die Maskenpflicht erweitert.
Gesundheitsministerin Rebecca Ruiz warnte, dass die Spitäler bald an ihre Kapazitätsgrenzen stossen könnten. Wie kam es zu dieser alarmierenden Situation?
Contact Tracing zeitweise überlastet
Das Contact Tracing des Kantons war aufgrund der vielen Fälle zeitweise überlastet, wie Ruiz an der Medienkonferenz einräumte. Das habe dazu geführt, dass in einzelnen Fällen Kontaktpersonen erst mit ein bis zwei Tagen Verzögerung gewarnt wurden.
Zum Unterbrechen von Infektionsketten ist eine schnelle Reaktion jedoch zentral. Da sich diese Personen nicht in Quarantäne begaben, könnte es in dieser Zeit zu weiteren Ansteckungen gekommen sein.
Damit auch bei den aktuellen Zahlen ein zeitnahes Contact Tracing möglich ist, wurde das Personal in diesem Bereich gleich verdoppelt.
Nachtlokale blieben trotz Coronavirus offen
Anfang August liess der Nachbarkanton Genf alle Nachtlokale schliessen. Eine Analyse hatte ergeben, dass 40 Prozent der Infektionen in Ausgehlokalen stattgefunden hatten. Die Ansteckungen mit dem Coronavirus waren zuvor während zwei Wochen stark angestiegen.
Allerdings bewegte sich die 7-Tage-Inzidenz in Genf zu dieser Zeit im Bereich von 50 Fällen auf 100'000 Einwohner. Im Kanton Waadt stieg diese derweil auf 110 an.
Die Vorsitzende des Staatsrats Nuria Gorrite betonte an der Pressekonferenz, man habe keine Entscheidungen aufgrund der Situation und Massnahmen in den angrenzenden Kantonen getroffen. Einzig die Lage im Waadtland sei relevant.
Vielleicht hätte sich in diesem Fall ein Blick über die Kantonsgrenze hinaus gelohnt. Gurrite räumte heute ein, dass auch in der Waadt viele der Infektionen auf Nachtlokale zurückgeführt werden konnten.
Leben besteht nicht nur aus «Arbeiten und Schlafen»
Nuria Gorrite präzisierte an der Pressekonferenz, dass es keine «Ansteckungsorte» gäbe, sondern «Verhalten, dass zu einer Ansteckung führt».
Es sei ein essenzieller Bestandteil der Kultur in der Region, dass man sich treffe und engen Kontakt pflege. Das rege Nachtleben zeichne den Kanton aus.
Trotz Corona-Pandemie dürfe das Leben nicht nur aus «Arbeiten und Schlafen» bestehen. Darum sei es normal, dass es zu Ansteckungen komme. Nun gilt es, das richtige Gleichgewicht zu finden.
Coronavirus: Steigende Positivitätsrate
Im Waadtland werden derzeit viele Coronatests durchgeführt, letzte Woche waren es rund 10'500. Nur in Zürich wurde noch mehr getestet – fast doppelt so viel. Dass der Kanton im Schweizer Vergleich schlecht dasteht, ist allerdings nicht auf die Anzahl Tests zurückzuführen.
Auch bei der Positivitätsrate liegt die Waadt auf dem zweiten Platz hinter Freiburg. Seit Anfang August hat sich die Rate positiver Tests mehr als verdoppelt: Von 3,3 auf 7,3 Prozent.