Deshalb stockt die Renaturierung der Schweizer Flüsse
Die Schweiz hat sich in puncto Renaturierung ihrer Flüsse grosse Ziele gesetzt – und ist im Verzug. Grund sind fehlender Platz und knappe Bundesfinanzen.

Das Wichtigste in Kürze
- Seit 2011 will die Schweiz jährlich 50 Kilometer verbaute Gewässer renaturieren.
- Bisher konnten die verantwortlichen Kantone nicht einmal die Hälfte des Ziels erreichen.
- Grund sind mitunter Platzmangel als auch finanzielle Kürzungen des Bundes.
Innert 80 Jahren will die Schweiz 4000 kanalisierten Gewässerkilometern wieder einen naturnahen Charakter verliehen. Die Durchführung stellte der Bund im Jahr 2011 unter die Verantwortung der Kantone.
Um das Ziel zu erreichen, müssten im Schnitt jährlich 50 Flusskilometer renaturiert werden. Bislang beläuft sich die durchschnittliche Zahl allerdings lediglich auf 18 Kilometer, wie die «Sonntagszeitung» berichtet.
Bis vor zwei Jahren wurden insgesamt gerade einmal 220 Gewässerkilometer renaturiert, so das Bundesamt für Umwelt (Bafu) gegenüber der Zeitung. 2021 beurteilte es das jährliche Revitalisierungsziel als «nicht erreicht».
«Das Problem ist der Platz»
Das Schweizer Revitalisierungsprojekt ist im Verzug. Der Grund? Revitalisierungen sind komplex und haben lange Planungsphasen, erklärt das Bafu.
«Das Problem ist der Platz», sagt Hydrologe Andreas Zischg. Die Möglichkeiten würden durch Siedlungen, Landwirtschaft und Gewerbe begrenzt.
Als weiteren Grund nennt das Bafu die knappen Bundesfinanzen. Eigentlich habe das Parlament 2011 jährliche Beiträge von 40 Millionen Franken für Revitalisierungsprojekte bewilligt. Diese waren ein Zusatz zu den bestehenden Subventionen für Hochwasserschutz-Massnahmen.
Die gesprochenen Gelder seien allerdings lediglich 2018 völlig ausgeschöpft worden. In manchen Jahren sei nicht einmal die Hälfte des Budgets verwendet worden. In Folge habe der Bund das Budget mittlerweile gekürzt. Dies verzögere nun teilweise die Ausführung von umsetzungsreifen Projekten.
Überflutungen der Rhone waren vermeidbar
Die Folgen dieser trägen Renaturierung bekam das Wallis letzten Monat zu spüren. Die kanalisierte Rhone trat über das Ufer und verursachte katastrophalen Überschwemmungen. «Wenn die Rhonekorrektion umgesetzt wäre, hätten die jüngsten Überflutungen durch die Rhone verhindert werden können», hält Hydrologe Zischg fest.
Die Forschung sei eindeutig: Bei Unwettern übertreten kanalisierte Gewässer die Ufer schneller und treiben die Schäden in die Höhe. Auch das Bafu bestätigt: «Naturnahe Fliessgewässer können ‹einen Beitrag zur Hochwassersicherheit leisten›.»
Gewässer bekämen bei Revitalisierungen oftmals mehr Platz. Dies erhöhe die Abflusskapazität und vermindere die Erosionskraft. Auch könne das Wasser so länger in der Landschaft gehalten werden. «Werden Auen revitalisiert, dienen sie als natürliche Überflutungsflächen», hält das Bafu gegenüber der «Sonntagszeitung» fest.
Initiative fordert mehr finanzielle Mittel
Im September wird entschieden, ob der Bund mehr in die Revitalisierung – und somit in den Hochwasserschutz – investieren soll. Das Volk wird dann über die Biodiversitätsintiative abstimmen. Die Initiative fordert neben einem besseren Schutz der natürlichen Lebensräume auch mehr finanzielle Mittel für deren Erhalt.