Dritter Weltkrieg im Cyberspace könnte bevorstehen

Alexander König
Alexander König

Bern,

2024 gab es so viele Cyberangriffe wie nie zuvor. Ein dritter Weltkrieg im Cyberspace könnte bevorstehen, so ein Experte. Aber: ohne menschliche Opfer.

Schweizer Soldaten am Cyberkrieg
Laut einem Experten ist ein Dritter Weltkrieg im Cyberspace ein realistisches Szenario. (Im Bild: Schweizer Soldaten, die 2013 bei einer Simulationsübung in Kriens am Computer sitzen.) - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Weltweit kommt es zu immer mehr Cyberangriffen, unter anderem durch Russland und China.
  • Ein Experte zieht Parallelen zur Zwischenkriegszeit, vor dem Zweiten Weltkrieg.
  • Ein 3. Cyberweltkrieg könnte bevorstehen, menschliche Opfer seien aber unwahrscheinlich.

Cyberangriffe nehmen rasant zu – mit möglicherweise dramatischen Folgen. Darum schlägt ein Experte Alarm: Ein dritter Weltkrieg im digitalen Raum könnte bevorstehen.

Eine Entwarnung vorweg: Anders als bei klassischen Kriegen sind menschliche Verluste nicht zwangsläufig zu erwarten.

Cyberangriffe steigen durch die Decke

Im Jahr 2024 stieg die Zahl der weltweiten Cyberangriffe um satte 44 Prozent, ein Allzeithoch.

Das heisst es im Cyber Security Report des Softwareunternehmens Check Point, das die Zahlen «alarmierend» nennt.

Doch warum nehmen Angriffe im digitalen Raum derart rasant zu?

Wachsende Angriffsflächen

«Firmen und Behörden digitalisieren sich zunehmend und schaffen damit grössere Angriffsflächen», erklärt Mykola Makhortykh, Cyberkriegsführungs-Experte der Universität Bern.

Portrait von Mykola Makhortykh
Mykola Makhortykh ist Experte auf den Gebieten Künstliche Intelligenz, Desinformation und ihren Einfluss auf Politik und Kriege. - zVg

Gleichzeitig gibt es immer mehr potenzielle Opfer: «Je mehr Menschen Computer nutzen und Unternehmen gründen, desto mehr Ziele entstehen für Cyberkriminelle.»

Wer sind die Hauptziele?

Besonders im Visier der Angreifer stehen laut einem Microsoft-Bericht IT-Unternehmen, gefolgt von Bildungs- und Forschungseinrichtungen.

Makhortykh kennt den Grund: «Diese Sektoren sind nicht nur leichter anzugreifen, sondern oft auch von nachrichtendienstlichem Interesse.»

Doch auch staatliche Institutionen sind zunehmend betroffen. An dritter Stelle stehen Regierungsbehörden.

«Angriffe auf das Gesundheitswesen kommen seltener vor, haben aber umso gravierendere Auswirkungen», betont der Experte.

Angriffe auf Gesundheitssystem sind «besorgniserregend»

2023 etwa wurde in Barcelona ein wichtiges Spital lahmgelegt. 150 Operationen und rund 3000 Patiententermine mussten abgesagt werden. Lösegelder wollten die Betreiber nicht bezahlen.

spital dornach solothurn
Ein wichtiges Spital in Barcelona wurde Opfer eines schwerwiegenden Hacker-Angriffs. (Symbolbild) - keystone

Der Postdoktorand erklärt, wie gefährlich ein solcher Angriff sein kann: «Eine Cyberattacke auf eine Klinik kann nicht nur die medizinische Versorgung beeinträchtigen.»

Mit Hinblick auf vitale Systeme sagt er: «Im schlimmsten Fall Menschenleben gefährden. Das finde ich sehr besorgniserregend.»

Banken, KI-Unternehmen und geopolitische Interessen

Hacker-Angriffe auf grosse Unternehmen wie OpenAI sorgen immer wieder für Schlagzeilen. «Aber tatsächlich sind sie nicht primäres Ziel. Es ist schwierig, hier Geld herauszuholen.»

Anders sieht es bei Schweizer Banken aus, die regelmässig Opfer von Hackerangriffen werden, zuletzt im Januar.

«Würde Russland gezielt gegen die Schweiz vorgehen, wären Banken ein primäres Angriffsziel», stellt Makhortykh klar.

Putin
Würde Putin die Schweiz angreifen, nähme er vermutlich die Banken ins Visier. - Keystone

Gerade in geopolitisch angespannten Zeiten seien wirtschaftliche und finanzielle Strukturen ein beliebtes Ziel für Cyberangriffe.

Wer steckt hinter den Angriffen?

Die Angreifer sind vielfältig: Neben einzelnen Kriminellen spielen organisierte Gruppen laut Makhortykh eine immer grössere Rolle.

«Diese Gruppierungen sind mittlerweile so professionell aufgestellt, dass ihre Mitglieder spezialisierte Aufgaben übernehmen – ganz wie in einem Unternehmen.»

Auch autoritäre Staaten würden zunehmend Cyberkriminalität für ihre Zwecke nutzen.

Cyberangriff
Das US-Finanzministerium sah sich als Ziel eines von China gesponsorten Cyberangriffs. (Archivbild) - Valerie Plesch/dpa

Doch nicht nur Geld sei ein Antrieb. Der Postdoktorand konstruiert ein Beispiel: «Manche Angriffe verfolgen ideologische Ziele. So könnte beispielsweise eine militante Tierschutzgruppe ein Fleischunternehmen hacken und auf allen Bildschirmen verstörende Schlachtaufnahmen ausspielen.»

Sind wir bereits im dritten Weltkrieg des Cyberspace?

Die weltweite Zunahme der Angriffe und deren Folgen werfen eine brisante Frage auf: Erleben wir bereits einen digitalen Weltkrieg?

Makhortykh ist vorsichtig mit historischen Parallelen: «Cyberattacken können massive Störungen verursachen. Aber sie haben bisher nicht die menschlichen Opferzahlen erreicht, die wir mit klassischen Weltkriegen verbinden.»

Ein neuer Angriffskrieg sei somit die viel grössere Gefahr als ein Krieg im digitalen Raum.

Dritter Cyberweltkrieg könnte kurz bevorstehen

Dennoch räumt er ein: «Wenn wir das Ausmass der Angriffe und ihre globalen Auswirkungen betrachten: Dann könnten wir kurz vor einem ‹dritten Weltkrieg im Cyberspace› stehen.»

Ein vergleichbares Beispiel aus der Geschichte sieht er in der Zwischenkriegszeit.

Makhortykh blickt zurück: «Damals entwickelten sich entscheidende Waffen wie schnellere Panzer, überlegene Jagdflugzeuge und fortschrittliche U-Boote, die den Zweiten Weltkrieg prägten.»

Heute sei es ähnlich: «Wir befinden uns in einer Phase, in der Cyberwaffen rasant weiterentwickelt werden. Wohin das führt, ist kaum absehbar.»

Aktuell unwahrscheinlich, aber verheerend: Das Extremszenario

Noch seien die meisten Hacker-Angriffe auf Desinformation und Störungen ausgelegt – mit begrenztem physischem Schaden.

So warnt die Allianz im jährlichen Risikobarometer vor Cyberangriffen an erster Stelle der Geschäftsrisiken.

Doch Makhortykh warnt vor einem möglichen Wendepunkt: «Sobald essenzielle Systeme vollautomatisiert werden, eröffnen sich ganz neue Angriffsszenarien», warnt er.

Ein konkretes Beispiel, das Makhortykh für passend hält: Fluglotsen, die komplett durch KI ersetzt werden. Ein Hackerangriff könnte hier verheerende Flugzeugkollisionen auslösen.

Skyguide
Würden Fluglotsen maschinell ersetzt, könnte das drastische Folgen haben. - dpa/AFP/Archiv

Zwar hält der Experte ein solches Szenario aktuell für unwahrscheinlich, aber er mahnt, auch mit Hinblick auf den KI-Hype: «Es ist entscheidend, sich frühzeitig mit solchen Gefahren auseinanderzusetzen – damit es auch in Zukunft unrealistisch bleibt.»

Kommentare

User #8943 (nicht angemeldet)

Nur noch Psycho, alles andere ist Beilage.

User #2039 (nicht angemeldet)

Gut, ich bin in Wald.

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