Wladimir Putin: So könnte er die Schweiz ins Visier nehmen
Immer wieder wird spekuliert, Wladimir Putin könnte nach der Ukraine weitere westliche Länder attackieren. Wie sähe ein Angriffsszenario auf die Schweiz aus?
Das Wichtigste in Kürze
- Geheimdienste warnen: Ein russischer Angriff auf ein EU-Land ist ab 2028 möglich.
- Die Schweiz wäre im weiteren Verlauf ein unwahrscheinliches Angriffsziel.
- Käme es dennoch dazu, würde Putin Banken und Wasserversorgung angreifen.
Die EU schlägt Alarm: Geheimdienstberichte warnen, dass Wladimir Putin bereits 2028 ein EU-Land angreifen könnte. Kann auch die Schweiz zum Ziel werden? Und wie würde ein solcher Angriff ablaufen?
Bevor Experten genauer erklären, die gute Nachricht: Selbst wenn die Schweiz zur EU gehören würde, gilt ein direkter Angriff auf die Schweiz als höchst unwahrscheinlich.
Die Schweiz: Keine unmittelbare Gefahr, aber eine angespannte Lage
Dennoch ist die Bedrohungslage für Europa heute ernster als noch vor 10 oder 20 Jahren, warnt Marcel Berni bei Nau.ch. Er ist Dozent für strategische Studien an der Militärakademie der ETH Zürich.
«Ein offener Angriff wäre der letzte Eskalationsschritt. Viel wahrscheinlicher sind subtile Methoden, mit denen Russland Unruhe in der Bevölkerung stiften könnte», erklärt Berni.
Sollte es dennoch zu militärischen Aktionen kommen, wäre die Ostflanke der EU am ehesten betroffen.
Moldawien und Georgien, obwohl keine EU-Mitglieder, fürchten aufgrund ihrer geografischen Lage eine russische Offensive besonders. Schon 2023 richtete Moskau drohende Worte an Moldau.
Und das, ausgerechnet kurz nachdem die Republik «keine unmittelbare militärische Gefahr» sehen wollte.
Sollte es zu einem solchen Angriff kommen, würde das die Schweiz nicht gross tangieren, schätzt Mykola Makhortykh. Er ist auf Cyberkriegsführung und Politik spezialisierter Postdoktorand bei der Universität Bern.
«Die Auswirkungen eines Angriffs auf ein solches Land schätze ich als geringer ein, als die Schockwellen beim Startpfiff des Ukraine-Kriegs.»
Unterschätzen dürfe man eine solche Eskalation dennoch nicht.
Was bedeutet das für die Schweiz?
Was einen direkten Angriff auf die Schweiz betrifft, sieht auch Makhortykh keinen direkten Anlass zur Sorge.
«Doch wenn Russland einen Grossangriff auf mehrere europäische Staaten startet, könnte die Schweiz als Nebenschauplatz in den Fokus rücken.»
In einem solchen Falle würde sich Wladimir Putin auch von unserem Status des neutralen Landes nicht abschrecken lassen.
Der Experte für Desinformation begründet: «Viele russische Entscheidungsträger behaupten, die Schweiz sei nicht mehr neutral.»
Schon vor zwei Jahren zeigte sich das: Laut dem Nachrichtendienst des Bundes (NDB) säte Russland gezielt Zweifel an der Schweizer Neutralität.
Wladimir Putin würde Bern angreifen
Was also, wenn die Schweiz doch angegriffen wird?
Militärakademiker Berni hält sich – wohl aus Gründen der nationalen Sicherheit – mit Informationen zurück, zeichnet aber ein düsteres Bild.
Zuerst würde ein Gegner «überraschend und an einer unverteidigten Stelle zum Angriff ansetzen.»
Das drastischste Szenario: «Ein koordinierter Angriff auf breiter Front in Richtung Hauptstadt, begleitet von Desinformation und hybrider Kriegsführung, wäre wahrscheinlich.»
Mit Fake News würde damit Unruhe gestiftet werden, um den Grundkonsens in der Bevölkerung zu schwächen. Desinformation spielt in Kriegen schon heute eine grosse Rolle.
Wladimir Putin hätte Schweizer Banken und Wasserversorgung im Visier
Makhortykh sieht eine andere Bedrohung als wahrscheinlicher: «Cyberangriffe wären das wahrscheinlichste Kriegsführungs-Szenario von Wladimir Putin.»
Schon jetzt zeigen russische Hackerangriffe auf die Schweizer Infrastruktur immer wieder, wie verwundbar das Land in diesem Bereich ist. Auch Schweizer Finanzinstitute wurden schon Opfer.
So erst vor wenigen Tagen, als ein pro-russischer Hackerangriff die Webseiten mehrerer Banken lahmlegte.
Darum meint Makhorykh: «Sollte es zu einem kriegerischen Angriff kommen, wäre ich nicht überrascht, wenn Putin Schweizer Banken ins Visier nimmt.»
Die Schweiz ist schliesslich ein globales Finanzzentrum – und ein Angriff auf ihre Banken könnte weitreichende Folgen haben.
Doch Cyberangriffe könnten weit über Banken hinausgehen. «Viel drastischer wären Angriffe auf die kritische Infrastruktur», warnt der Postdoktorand.
Er nennt Beispiele: Wasserversorgung, Stromnetze oder IT-Systeme in Spitälern.
Im schlimmsten Fall könnten deshalb sogar Notoperationen schiefgehen – weil plötzlich der Strom fehlt.
Wie angreifbar diese Systeme aber tatsächlich sind, sei schwer einzuschätzen, fügt Makhorykh hinzu.
Kann die Schweiz auf Hilfe zählen?
Ob und wie andere Länder der Schweiz im Ernstfall eines Angriffs durch Wladimir Putin beistehen würden, sei ebenso schwer vorherzusagen.
«Die Schweiz ist kein Nato-Mitglied. Dennoch könnte sich dieser Status in Zukunft ändern. Spätestens seit Beginn des Ukraine-Kriegs denken Entscheidungsträger verstärkt darüber nach», so Makhorykh.
Was für diese Einschätzung spricht: Erst kürzlich beschloss der Bundesrat, dass die Schweiz im Frühling 2025 an einer Nato-Übung zum Krisenmanagement teilnehmen wird.
Das sind die grossen Stärken der Schweiz
Ob mit oder ohne Hilfe: Die Schweiz ist nicht wehrlos.
Markhorykh lobt das Verteidigungsdepartement: «Das militärische Training der Schweizer Armee ist im Vergleich zu vielen westlichen Ländern geradezu herausragend».
Nicht nur in der Qualität, sondern auch in Effizienz punktet die Schweiz hier. So will das Amt für Bevölkerungsschutz (VBS) den Start der Rekrutenschule ab 2027 nach hinten schieben.
Ziel: Lehrabgänger können nahtloser in ihre militärische Ausbildung starten, es kommt zu weniger Engpässen.
Und dann wäre da noch die Geografie. Markhorykh schliesst: «Wir haben einen Vorteil, den viele europäische Staaten nicht haben: Wir teilen keine Grenze mit Russland.»
Ein kleines, aber nicht unwichtiges Detail in einem immer unsicherer werdenden geopolitischen Umfeld.