Fasnacht: «Man wird angespuckt, wenn es nichts Süsses gibt»
Böller-, Käpsli- und Spuckattacken: An der diesjährigen Fasnacht kam es mehrfach zu Zwischenfällen. Kinder seien frecher geworden, sagt ein Fasnächtler.

Das Wichtigste in Kürze
- An mehreren Fasnachtsumzügen kam es zu teils schwerwiegenden Zwischenfällen.
- Fasnachtsgesellschaften sehen vor allem die Eltern in der Pflicht.
- Ein Gewaltexperte sieht keinen klaren Trend zu mehr Gewalt im Kindes- und Jugendalter.
Gleich mehrmals sind an der diesjährigen Fasnacht die Grenzen der Narrenfreiheit überschritten worden.
In Luzern warfen Unbekannte mehrere Böller in eine Menschenmenge. Einer detonierte direkt vor einer Patrouille und verletzte vier Polizisten.
In Solothurn hielt ein Kind einem Sousafonspieler eine Käpslipistole unter die Maske und drückte ab. Der Guggenmusiker erlitt kurzzeitig einen Hörverlust.
«Asoziales Verhalten» an der Fasnacht
Auch in Baar ZG beklagen sich Fasnächtler über das Gebaren mancher Kinder, wie «Zentralplus» berichtet.
So schreibt ein anonymer Teilnehmer in einem Facebook-Beitrag: «Es ist bedauerlich, dass die Pflege von Fasnachtstradition und kulturellem Brauchtum durch teilweise asoziales Verhalten beeinträchtigt wird.»
Konkreter wird eine weitere Userin: Als «Rääbegäuggel» sei ihr die Saublater aus der Hand geschlagen worden. Mehr noch: «Man wird beleidigt oder angespuckt, wenn es nichts Süsses gibt.»
«Kinder sind fordernder und frecher geworden»
Käpsli-Schock, Böller-Wahnsinn, Spuck-Attacke: Handelt es sich um eine zufällige Häufung von Fehlverhalten an der Fasnacht? Oder verrohen unsere Sprösslinge zusehends?
Silvan Meier, Mediensprecher der Fasnachtsgesellschaft Baar, sagt: «Wir stellen fest, dass Kinder eher fordernder und frecher geworden sind und ‹ihre› Orange oder ‹ihr› Schoggolädli einfordern.»
Meier nimmt die kleinen Rotzlöffel aber auch in Schutz: «Ich sehe hier klar die Eltern in der Verantwortung, die ihre Aufsichtspflicht nicht wahrnehmen.»

Thomas Nyffenegger, Pressenarr der Fasnachtsgesellschaft Solothurn UNO, pflichtet bei: «Ich wünschte mir, dass Eltern mehr Verantwortung für ihre Kinder übernehmen würden.»
Während des Umzugs komme es immer wieder vor, dass Kinder die Abschrankungen ignorieren und auf die Umzugsroute gelangen.
Das könne nicht nur gefährlich für die Kinder, sondern auch lästig für die Guggenmusiker sein. Insbesondere, wenn ihnen Konfetti direkt ins Mundstück geworfen werden.
«Ein paar wenige kennen die Grenzen nicht»
Die Fasnachtsgesellschaft Baar hat schon vor vielen Jahren eine Radwachenpflicht bei allen Umzugswagen eingeführt.
«Gefährlich wird es, wenn Orangen oder Schoggolädli am Boden liegen und Kinder nur diese im Blickfeld haben», erklärt Meier. Die Radwachen haben die Aufgabe, die Kinder zurückzuweisen.
Beide Sprecher betonen aber, dass die Fasnacht im Grossen und Ganzen ruhig und friedlich verlaufen sei.
Die grosse Mehrheit der Kinder und Eltern würde die Fasnacht geniessen und sich angemessen benehmen, sagt Meier: «Es sind ein paar wenige, die die Grenzen nicht kennen.»
«Vorsicht bei gesamtgesellschaftliche Diagnosen»
Trotz der eingangs erwähnten, teils schwerwiegenden Zwischenfälle sieht Gewaltforscher Dirk Baier keinen Anlass zur Besorgnis.
Er mahnt: «Wir müssen vorsichtig sein, gleich gesamtgesellschaftliche Diagnosen zu formulieren. Etwa, dass die Kinder immer frecher und aggressiver werden oder keinen Respekt vor Erwachsenen mehr haben.»

Kinder würden heute zwar früher und häufiger mit medialer Gewalt konfrontiert.
Die Gewaltzahlen entwickelten sich aber nicht in gleichem Masse, konstatiert Baier: «Zwar steigt Kinder- und Jugendgewalt in der Schweiz, aber deutlich weniger, als Kinder und Jugendliche medialer Gewalt ausgesetzt sind.»
Nichtsdestotrotz: Fälle wie die Käpsli-Attacke würden zeigen, dass Gewaltprävention wichtig bleibe.
Jungen Menschen müsse klargemacht werden, dass auf Gewalt zu verzichten sei. «Egal, wie scherzhaft sie gemeint sein mag», so Baier.