Wiederholtes Defizit, Wechsel in der Geschäftsleitung, Angebots- und Stellenabbau: Präsident Christoph Siegwart – erst seit zwei Monaten im Amt – räumt auf.
Christoph Siegwart.
Christoph Siegwart. - zvg

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Aids-Hilfe beider Basel droht das Aus.
  • Der neue Präsident Christoph Siegwart muss handeln.
Ad

Die Aids-Hilfe beider Basel wird im kommenden Jahr 40. Doch dem Verein droht das Aus und er muss dringend handeln. Der neue Präsident Christoph Siegwart bestätigt Informationen von «OnlineReports».

Die Jahresrechnung 2023 legt offen, wie dramatisch die Situation ist. Das Unternehmen sei «gefährdet», hält der Revisor fest. Es bestünden «erhebliche Zweifel» daran, dass die Aids-Hilfe beider Basel fähig sei, die Vereinstätigkeit fortzuführen. Dies sei davon abhängig, «ob es dem Verein gelingt, die nötige Liquidität sicherzustellen und genügend Kapital zu erwirtschaften. Diesbezüglich besteht eine wesentliche Unsicherheit.»

Das Betriebsergebnis hat sich von -75'000 Franken im Jahr 2022 auf -218'000 Franken verschlechtert. Die Jahresrechnung 2023 schloss mit einem Minus von 137'000 Franken ab, und auch für das laufende Jahr ist ein Verlust budgetiert. Es fällt auf, dass der Personalaufwand von 900'000 auf über eine Million angestiegen ist.

Kantone geben jährlich 622'000 Franken

Die beiden Basel haben mit der Aids-Hilfe Leistungsvereinbarungen abgeschlossen und steuern zusammen jährlich 622'000 Franken bei – 428'000 Franken kommen aus der Stadt, 194'000 Franken vom Land.

Christoph Siegwart steht dem Verein erst seit Anfang Juni vor. Zuvor gab es im Vorstand mehrere Wechsel. Siegwart ist selbst HIV-positiv und will der Aids-Hilfe «etwas zurückgeben».

Er habe zwar gewusst, dass es um den Verein nicht gut stehe, sagt er im Gespräch mit «OnlineReports». Doch hätte er nicht erwartet, dass das Ausmass so prekär sei und sein Engagement nun darin bestehe, den Verein mit harten Massnahmen wieder auf Kurs zu bringen: «Jetzt bin ich für einige der Böse.»

Deutlich über 200'000 Franken müsse die Aids-Hilfe jährlich einsparen, rechnet Siegwart. «Lange sind Verein und Geschäftsleitung mit den Mitteln wenig haushälterisch umgegangen.» Ein Blick in die vergangenen Jahresrechnungen offenbart wachsende Ausgaben bei gleichbleibenden Einnahmen.

Geschäftsleiterin geht

Siegwart bestätigt, kürzlich eine Kündigung ausgesprochen zu haben. Betroffen ist die Leiterin Testangebot Allgemeine Bevölkerung / Lady Check.

Ausserdem kommt es zu einem Wechsel in der Geschäftsleitung. Der Vorstand hat das Pensum der Chefin Magdalena Urrejola von 75 auf 50 Prozent reduziert, womit diese laut Siegwart nicht einverstanden gewesen sei und gekündigt hat.

Der Vorstand sucht nun einen Ersatz. Der Geschäftsleitungs-Bruttolohn lag vergangenes Jahr, hochgerechnet auf ein Vollzeitpensum, bei 132'600 Franken. Ob das Gehalt beibehalten oder angepasst wird, sei noch nicht besprochen, sagt der Präsident.

Um die Finanzen wieder ins Lot zu bringen, soll sich die Aids-Hilfe gemäss Siegwart wieder verstärkt auf das Kerngeschäft konzentrieren und die «mit den Kantonen nicht vereinbarten Angebote» – zumindest vorübergehend – einstellen. Dies würden auch die Statuten erfordern, die den Fokus vor allem auf HIV-Positive legen und auf Männer, die mit Männern Sex haben.

Abbau beim Lady Check

Bereits per April hat der Verein den Berater für Trans-Menschen entlassen. Von den Massnahmen ist auch der sogenannte Lady Check betroffen. Dieses Angebot richtet sich an Sexarbeiterinnen. Sie können sich anonym auf HIV und andere sexuell übertragbare Krankheiten testen lassen und Beratungen erhalten. Die Tests sollen beibehalten werden, doch weitergehende medizinische Betreuungsangebote sollen neu von einem anderen Verein (Aliena) koordiniert werden.

Die Beratung für Menschen mit HIV wird gemäss Sparprogramm um ein Drittel reduziert. Das sei möglich, «weil zum Glück immer weniger Menschen betroffen sind», sagt Siegwart. Auch sei geplant, an Sexpartys und Schwulen-Events nicht mehr pauschal Kondome abzugeben, da dieses Angebot dank anderer Präventionsmassnahmen und Medikamenten ohnehin immer weniger genutzt worden sei.

Weiter sollen die Telefon- und Mailberatung für die Allgemeinbevölkerung um 23 Prozent zurückgefahren und die Tarife der Testangebote erhöht werden. «Wobei wir immer noch günstiger sind als Bern oder Zürich», betont Siegwart.

Andere Angebote wiederum werden ausgebaut oder neu ausgerichtet. So konzentriert sich der Bereich «Gesundheit und Migration» bereits verstärkt auf minderjährige Asylsuchende. Zudem soll das Kerngeschäft MSM (Männer, die mit Männern Sex haben) erweitert werden; laut Präsident plant der Verein, künftig 500 Klienten aus Basel-Stadt (+200) und 300 Klienten aus Baselland (+215) mit Testungen zu betreuen. Aber auch die heterosexuelle Bevölkerung sei weiterhin willkommen und werde bei dieser Ausweitung des Angebotes MSM mitabgedeckt, sagt Siegwart.

Kritik an Abbau und Kommunikation

Dem Verein nahestehende Personen kritisieren den Abbau beim Personal und dem Angebot, etwa weil die Hürden für die Sexarbeiterinnen nun ansteigen würden. Sie haben auch kein Verständnis dafür, dass die Aids-Hilfe die Massnahmen bisher nicht kommuniziert hat, obwohl die Öffentlichkeit wegen der beachtlichen Summe an eingesetzten Steuergeldern einen Anspruch darauf habe.

Siegwart wehrt sich: Der Handlungsbedarf sei dringend. Wenn es die Aids-Hilfe nicht mehr gäbe, gäbe es in der Region auch keine anonyme Teststation mehr. Die Kündigung im Bereich Lady Check sei nötig gewesen, weil hier «eine beträchtliche Überkapazität» bestanden habe. Und die Massnahmen könnten noch nicht kommuniziert werden, weil sie noch nicht umgesetzt seien. Dazu benötige es Vertragsänderungen mit den Kantonen Basel-Stadt und Baselland, da auch die Leistungsvereinbarungen betroffen sind. «Der Vorstand informiert, sobald formell alle Massnahmen gültig sind», sagt Siegwart.

Der 67-jährige Jurist ist der Meinung, dass die Beiträge der öffentlichen Hand «grosszügig» seien, dies auch im Vergleich zu anderen Kantonen. Auch die Spendenzahlungen bewegten sich – anders als früher behauptet – auf konstantem Niveau. Die Aids-Hilfe sei auf der Einnahmenseite gut aufgestellt; es brauche mehr Ausgabendisziplin.

Das Gesundheitsdepartement Basel-Stadt bestätigt, zusammen mit der Aids-Hilfe beider Basel «eine Übergangslösung bis zur neuen Beitragsperiode ab 2026» auszuarbeiten. Kanton und AHBB seien bemüht, praktikable Lösungen im Rahmen des laufenden Leistungsauftrages zu finden.

Hinweis: Dieser Artikel von Jan Amsler wurde zuerst im Basler Newsportal «OnlineReports» publiziert.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

MigrationTelefonFrankenHIVAids