Glücksspiel ums Leben: Medikament für todkranke Babys wird verlost
Ein Medikament für eine lebensbedrohende Erbkrankheit wird nun verlost. Dies sei nötig, um allen Patienten eine faire Chance zu geben.
Das Wichtigste in Kürze
- Ein Medikament für todkranke Babys wird nun verlost.
- Dies sei die einzige Möglichkeit, um jedem eine faire Chance zu ermöglichen.
- Novartis habe diese Massnahme mit einem Ethikrat beschlossen.
Es gibt Babys mit einer lebensbedrohenden Erbkrankheit. Und ein neues sündhaft teures Medikament, das ihr Leben retten kann. Der Hersteller verlost es jetzt für 100 Kinder. Ist das grosszügig oder perfide?
Eine Gentherapie gibt Hoffnung - Aber...
Für die verzweifelten Eltern todkranker Babys ist eine neue Gentherapie ein Hoffnungsschimmer in dunkelsten Zeiten. Aber was, wenn das Mittel noch nicht zugelassen ist, wenn es mit zwei Millionen Euro pro Dosis das teuerste Medikament der Welt ist?
Der Schweizer Pharmahersteller Novartis verlost ab Montag (3. Februar) Behandlungen für 100 Säuglinge und Kleinkinder bis 2 Jahren. Bewerben konnten sich Familien aus aller Welt, deren Kind an spinaler Muskelatrophie (SMA) leidet. Ist das eine Überlebenslotterie, wie Kritiker sagen?
Marina Mantels Sohn Michael wird 2018 mit SMA geboren. «Sechs Wochen dachten wir, er wäre kerngesund, dann bewegte er sich plötzlich nicht mehr», erzählt sie der Deutschen Presse-Agentur. Im Krankenhaus dann die niederschmetternde Diagnose: SMA.
Medikament Spinraza half nicht
Die Familie ist am Boden zerstört. Dann bekommt Michael das erst 2017 zugelassene SMA-Medikament Spinraza der US-Firma Biogen. Es hilft vielen, aber nicht Michael.
«Er bekam Lungenprobleme, konnte Schleim kaum abhusten», sagt Mantel. Knapp 50 Kinder werden in Deutschland wie Michael mit der schlimmsten Form von SMA im Jahr geboren.
Michael erhält Hoffnungsträger Zolgensma
Dann hört Mantel von Zolgensma von Novartis, das im Mai 2019 in den USA zugelassen wird. Sie kämpft, will eine Härtefallausnahme, wird abgelehnt, startet eine Spendenaktion, dann lenkt ihre Krankenkasse doch ein.
Michael bekommt das Medikament im September 2019 ausnahmsweise, obwohl es noch nicht zugelassen ist. «Es geht ihm gut, er kann sich jetzt selbstständig umdrehen, er kann sitzen», sagt sie heute. An eine solche Entwicklung sei vorher nicht zu denken gewesen.
Rund 200 kleine Patienten wurden in den USA bislang mit Zolgensma behandelt. Auf das Losverfahren kam Novartis nach eigenen Angaben mit einem Ethikrat, weil es die Therapie weltweit so schnell wie möglich zur Verfügung stellen wollte, sagt eine Novartis-Sprecherin.
Zufallsprinzip als faire Chance
Um allen Patienten eine faire Chance zu geben, sei nur das Zufallsprinzip in Frage gekommen, so die Novartis-Sprecherin. «Es ist ein Dilemma», räumt sie ein. «Wir haben einfach nicht so viele Dosen zur Verfügung wie wir gerne hätten. Bei aller Kritik an diesem Verfahren mangelt es vorerst an Alternativvorschlägen.»