Händler geht «lieber bankrott», als alkoholfreien Wein zu verkaufen
Ein Berner Weinhändler würde lieber seinen Laden dichtmachen, als alkoholfreien Wein zu verkaufen. Sommeliers zeigen Verständnis für diese kritische Haltung.
Das Wichtigste in Kürze
- Ein Weinhändler kann alkoholfreiem Wein nichts abgewinnen und würde ihn niemals verkaufen.
- Sommeliers erklären, warum alkoholfreier Wein «einer Amputation» gleich komme.
Serge Berger betreibt das Tredicipercento – eine Weinhandlung in der Berner Rathausgasse. 25 Jahre schon geht er hier seiner Leidenschaft nach.
Auf die Frage, ob er auch alkoholfreien Wein verkauft, schüttelt der 50-Jährige den Kopf.
Für ihn ist klar: «Wein ohne Alkohol? Ohne mich. Wenn es schon etwas Alkoholfreies sein muss, sollten die Leute lieber Traubensaft trinken.»
Das sei kein Sarkasmus, sondern völlig ernst gemeint – aus gutem Grund: «Man schmeckt den Unterschied zwischen den verschiedenen Traubensorten.»
Weinhändler: «Werde nie alkoholfreien Wein trinken!»
Natürlich müsse jeder selbst wissen, was er trinkt. «Aber für mich ist ganz klar: Ich werde nie alkoholfreien Wein trinken oder verkaufen.»
Er geht noch weiter: «Wenn irgendwann die ganze Menschheit alkoholfreien Wein trinkt, gehe ich lieber bankrott, als dass ich ihn verkaufe!»
Lieber den Laden dichtmachen, als eine alkoholfreie Alternative zu verkaufen. Ist alkoholfreier Wein wirklich so ein Unding?
Alkoholfreier Wein ist eine «Amputation»
Markus Utiger und Amanda Bulgin, beide erfahrene Sommeliers, zeigen Verständnis für die Haltung von Serge Berger. Zumindest bis zu einem gewissen Grad.
Beide sind als Referenten und Prüfungsexperten in Seminaren bei GastroSuisse tätig.
Utiger bringt seine Meinung drastisch auf den Punkt: «Wenn einem Wein der Alkohol entzogen wird, ist das wie eine Amputation.»
Er erklärt: «Dem Wein fehlen bis zu 15 Volumenprozent. Das kommt einer grossen Lücke gleich.»
Die Rolle des Alkohols im Wein
Laut Utiger übernimmt der Alkohol im Wein zentrale sensorische Funktionen. «Er macht viele Aromen überhaupt erst wahrnehmbar.»
Auch am Gaumen spielt der Alkohol eine wichtige Rolle. «Er sorgt für Schmelz, Struktur und Wärme», betont der Experte.
Für Markus Utiger ist es glasklar: Mit alkoholfreiem Wein kommt etwas ins Glas, das nichts mehr mit Wein zu tun hat.
So sagt er: «Ein Wein, dem der Alkohol entfernt wird, ist ein komplett anderes Produkt mit deutlich geringerer Komplexität als der Ursprung.»
Die Handarbeit zählt: Eine andere Perspektive
Amanda Bulgin sieht die Sache differenzierter: «Alkohol trägt zur Aromatik und Struktur eines Weins bei, das stimmt – aber es gibt mehr als das.»
Für sie beginnt die Qualität eines Weins viel früher. «Ein grossartiger Wein entsteht nicht nur durch die Fermentation.
Er beginnt beim Terroir – also Klima, Boden und Landschaft – und in der Kunstfertigkeit des Winzers.»
Daher dürfe alkoholfreier Wein nicht allein wegen des fehlenden Alkohols abgewertet werden. «Er bietet eine Alternative für Menschen, die auf Alkohol verzichten möchten oder müssen.»
Alkoholfreier Wein: Chancen und Herausforderungen
Bulgin räumt jedoch ein, dass alkoholfreier Wein oft an Komplexität verliert. «Schliesslich ist Alkohol ein entscheidender Geschmacksträger.»
Dennoch sieht sie Potenzial. «Künftige Verfahren könnten die Qualität deutlich verbessern.»
Utiger bleibt skeptisch: «Man sollte den Wein nicht pauschal als minderwertig ansehen. Aber ja, stand heute bin ich weniger überzeugt.»
Die Zukunft des alkoholfreien Weins
Utiger glaubt eher an Alternativen wie Verjus. «Das ist ein Produkt, das ohne Alkohol auskommt und dennoch Genuss und Abwechslung bietet.»
Die Etablierung alkoholfreier Weine sei jedoch ein Thema mit Perspektive. Auch das Terroir spiele dabei eine zentrale Rolle.
Ein Beispiel verdeutlicht dies: Eine Weinexpertin erklärte kürzlich, wie der Klimawandel die Qualität vieler Weine verbessere. Damit wolle sie die globale Erwärmung aber nicht verharmlosen.
Denn unterm Strich leide die Landwirtschaft ganz besonders unter hohen Temperaturen.
Alkoholfreier Wein ist gesünder
Lange Zeit galt ein Glas Wein am Abend als förderlich für die Gesundheit – vorausgesetzt, es bleibt bei einem Glas.
Heute weiss man: Die zugrunde liegenden Studien waren oft verzerrt. Selbst in moderaten Mengen ist Alkohol nicht gesundheitsfördernd.
Wer keine Trauben-Allergie hat, kann jedoch bedenkenlos alkoholfreien Wein trinken.