Hochwasser: «Wir haben seit Freitag keine Kanalisation mehr»
Beim Vierwaldstättersee und Bielersee sind die kritischen Pegel überschritten. Die Hochwasserlage dürfte sich erst am Wochenende entspannen.
Das Wichtigste in Kürze
- Die anhaltenden Regenfälle verschärfen die Hochwassersituation rund um die Seen weiter.
- Der Vierwaldstättersee hat am Donnerstag die kritische Pegelgrenze überschritten.
- Die Gefahrenstufe 5 gilt nach wie vor auch für den Thuner- und den Bielersee.
20.55 Uhr: Seit mehreren Tagen steht Ried bei Giswil OW teilweise unter Wasser – für die Bewohner eine Herausforderung: «Wir haben seit Freitag keine Kanalisation mehr. Man kann nicht duschen, auf die Toilette gehen oder abwaschen – es geht nichts mehr», beschreibt Anwohner Patrik Zünd die Lage.
Den Betroffenen wurde deshalb ein Toi Toi sowie ein Wagen mit Duschen und WCs zur Verfügung gestellt. Einkäufe sind weiter möglich, müssen jedoch per Boot transportiert werden.
Aus der Situation müsse man nun das Beste machen: «Man hat eine sehr grosse Nachbarschaftshilfe, wo man zueinander schaut», schildert Zünd. Sich ärgern helfe nichts, denn «man kann es ja nicht ändern».
18.25 Uhr: In der Broye-Ebene in den Kantonen Waadt und Freiburg sind mehrere Gebiete vom Hochwasser überflutet worden. In Yvonand VD am Neuenburgersee musste der Campingplatz Menthue evakuiert werden. Ein Dutzend Menschen musste vorübergehend in der Turnhalle des Ortes untergebracht werden.
Die Wasserstände an den Ufern des Neuenburger- und des Murtensees wurden von den Behörden als «besorgniserregend» eingestuft.
16:53 Uhr: Angesichts steigender Pegel rechnen die Behörden für den morgigen Freitag mit einem neuen Rekordwasserstand des Bielersees samt Überschwemmungen. Die Führungsorgane rufen die Bevölkerung dringend auf, Fluss- und Seeufern fernzubleiben.
16:25 Uhr: Die fünf Regierungsstatthalter Thun, Bern-Mittelland, Seeland, Biel und Oberaargau haben am Donnerstag ein allgemeines Verbot der Schifffahrt und des Badens in Seen, der Aare und im Zihlkanal erlassen.
Das Verbot gilt für den Thunersee, die Aare bis zur Solothurner Kantonsgrenze, den Wohlensee sowie den Bielersee, den Zihlkanal bis zur Einmündung Neuenburgersee sowie den Nidau-Büren-Kanal. Vom allgemeinen Badeverbot ausgenommen ist einzig der Bielersee. Das Verbot der Schifffahrt gilt auch für Stand-Up-Paddling und Ähnliches.
16.11 Uhr: Die Behörden des Kantons Basel-Stadt rechnen nach aktuellem Kenntnisstand nicht mit einer Überschwemmung des Rheins. Dennoch wurde der Zivilschutz damit beauftragt, weitere Vorbereitungsmassnahme zu treffen.
Bundespräsident Guy Parmelin in Luzern
15.21 Uhr: Bundespräsident Guy Parmelin hat sich am Donnerstagnachmittag in Luzern ein Bild über das Hochwasser gemacht. Er bedankte sich bei den Einsatzkräften.
Es sei sichtbar, dass alles gut organisiert sei, sagte Guy Parmelin an der Reuss. Er danke allen Einsatzkräften für den Einsatz und die Solidarität.
Nachdem er in Luzern die neuralgischen Punkte besichtigt hat, will sich Parmelin in Aesch am Hallwilersee ein Bild machen.
Zuvor war Parmelin in Biel, wo er das Ausmass des Hochwassers begutachtete. Er habe gesehen, wie kritisch die Situation sei, schrieb der Bundespräsident auf Twitter.
13.52 Uhr: Mit 430,61 Meter über Meer näherte sich der um 13.30 Uhr gemessene Wasserstand des Bielersees dem Höchststand von 2005 (430,69), blieb aber noch unter dem Rekordwert von 2007 (430,88).
Das wirkt sich zum Beispiel auf den Murtensee aus, wo ich heute früh war. Dieser ist auch randvoll. pic.twitter.com/MTFe5A6GBg
— Guy Parmelin (@ParmelinG) July 15, 2021
Der Pegel des ebenfalls übervollen Thunersees lag am frühen Nachmittag mehr als 21 Zentimeter über der Hochwassergrenze, dürfte aber den Rekordwert von 2005 nicht erreichen.
Etwas abgeflacht ist der Abfluss der Aare, die nach wie vor Hochwasser führt. Bei der Messstelle Schönau in der Stadt Bern lag das Abflussvolumen bei 520 Kubikmetern pro Sekunde.
13.02 Uhr: Bundespräsident hat bei einem Besuch in Biel die kritische Lage inspiziert.
Je me trouve à proximité du lac de Bienne, dont le niveau a dépassé le seuil de crue ce matin et continue encore d'augmenter. J'ai pu constater de mes propres yeux à quel point la situation est critique.#lacdebienne #intempéries pic.twitter.com/uglaH7YeTR
— Guy Parmelin (@ParmelinG) July 15, 2021
12.58 Uhr: Alert Swiss warnt vor Überschwemmungen im Kanton Solothurn. «Bitte halten Sie sich von Uferwegen fern», heisst es. Es müsse mit Überschwemmungen gerechnet werden. Und weiter: «Flutwellen könnten Sie überraschen und Ufer könnten einbrechen.»
10.40 Uhr: Bis am Wochenende soll die Hochwasser-Situation in der Deutschschweiz noch angespannt bleiben. Dann gebe es eine Entspannung, schreibt «Meteo News» in einem Tweet.
Die #Hochwasser-Situation ist in der #Deutschschweiz noch bis am Wochenende angespannt, dann gibt es endlich eine Entspannung. Zu Beginn der neuen Woche erwartet uns – zumindest vorübergehend – sonniges #Wetter. Die See- und Flusspegel werden spätestens dann deutlich sinken. (rv) pic.twitter.com/bG9e48MttF
— MeteoNews Schweiz (@MeteoNewsAG) July 15, 2021
Und zu Beginn der nächsten Woche soll es sonniges Wetter geben – «zumindest vorübergehend». Dann werden See- und Flusspegel deutlich sinken.
10.35 Uhr: Die Pegel der über der Hochwasser-Grenze liegenden Gewässer im Kanton Bern - Aare sowie Thuner- und Bielersee - sind am Donnerstagmorgen weiter angestiegen.
Um 10.10 Uhr lag der Wasserstand des Bielersees 430,48 Meter über Meer - 13 Zentimeter über der Hochwassergrenze und 21 Zentimeter vom Wert des Hochwassers 2005 entfernt, wie aus den Daten auf der kantonalen Webseite zu den Naturgefahren hervorgeht.
Der Pegel des Thunersees lag um 10.10 Uhr gar um 17 Zentimeter über dem Hochwasserwert, jedoch noch 78 Zentimeter vom Rekordwert von 2005 entfernt.
In der Stadt Bern stieg der Aarepegel am frühen Donnerstagmorgen über die Hochwassergrenze. Um 10.11 Uhr wurde in der Schönau ein Abflusswert von 523 Kubikmetern pro Sekunde gemessen. Der Rekord lag 1999 bei 613 Kubikmeter pro Sekunde.
10.15 Uhr: Wegen des Hochwassers sitzen derzeit weit über 20 Frachtschiffe in den Rheinhäfen beider Basel fest. Auch wenn sich die Wetterlage entspannt, dürfte die Zwangspause für die Rheinschifffahrt noch bis weit in die kommende Woche andauern.
Eingestellt wird die Grossschiffahrt auf dem Rhein zwischen der Schleuse Kembs und Rheinfelden bei einem Pegelstand von 820 cm bei Basel Rheinhalle. Zwischen Basel (Mittlere Brücke) und Birsfelden ist für sämtliche Schiffe schon bei einem Pegel von 790 cm Schluss.
Diese Hochwassermarken wurden schon vor Tagen erreicht. Am Donnerstag um 9.30 Uhr wurde bei Basel Rheinhalle ein Pegelstand von 902 cm gemessen. Für Donnerstag um 20 Uhr prognostizierte das Bundesamt für Umwelt einen weiteren Anstieg des Pegels auf einen Höchststand von 953 cm.
09.15 Uhr: In der Stadt Luzern ist der Pegel des Vierwaldstättersees am Donnerstagmorgen über die Hochwasser-Grenze der höchsten Stufe 5 (434,75 Meter) geschwappt. Trotzdem verlief die vergangene Nacht «relativ ruhig», sagte der Feuerwehrkommandant auf Anfrage der Nachrichtenagentur SDA. Am Nachmittag besucht Bundespräsident Guy Parmelin die Einsatzkräfte.
Der Seepegel wird in regelmässigen Abständen rund um die Uhr gemessen. Am Donnerstagmorgen betrug er 434,77 Meter. Damit lag er bereits über der höchsten Warnstufe des Bundes (434,75 Meter).
Für die Stadt Luzern ist laut Honermann aber die Marke von 434,9 Meter von grosser Bedeutung. Würde der Seepegel also noch um 13 Zentimeter ansteigen, hätte dies zur Folge, dass die Fussgängerbrücken gesperrt werden müssten und dass der Schwanenplatz überschwemmt würde, sagte er. Ob dies eintreffen, oder ob diese Grenze knapp nicht erreicht wird, sei schwer vorherzusagen.
09.06 Uhr: Die Kantonspolizei Luzern warnt erneut vor der Hochwassersituation im Kanton Luzern. Der Pegel des Veriwaldstättersees steige weiter an – die Lage bleibe kritisch.
Zudem bittet die Polizei: «Betreiben Sie keinen Katastrophentourismus!» Man solle sich nicht in Schadengebiete begeben und sich so unnötig in Gefahr bringen, um Bilder zu machen.
Zudem solle man von Gewässern, besonders von Fliessgewässern fernhalten, denn der Aufenthalt im Bereich von Flüssen und Bächen sei äusserst gefährlich. Auch Keller und Tiefgaragen seien bei Überschwemmungsgefahr tabu.
Und man solle mit Fahrzeugen nicht durch überflutete Strassen fahren.
08.34 Uhr: Der Bielersee hat am Donnerstagmorgen die Hochwassergrenze überschritten. In Nidau drang das Wasser in mehrere Bereiche der Anlagestelle und des Strandes ein.
Um 07.50 Uhr lag der Pegel des Bielersees bei 430,37 Metern, 2 Zentimeter über dem Hochwasserstand, wie der Webseite Naturgefahren des Kantons Bern entnommen werden konnte. Es wird erwartet, dass der See am Samstag seinen Höchststand erreicht. Dieser lag im Jahr 2007 bei 430,88 Meter und im Jahr 2005 430,69 Meter.
Der Pegel des Bielersees hängt nicht nur von den Niederschlägen ab, sondern auch von der Wassermenge, die von der Aare über den Hagneck-Kanal zufliesst und von der Wassermenge, die aus den Hafenschleusen abfliesst.
Auch die Aare in Bern stieg weiter an. Am Donnerstag um 07.50 Uhr hatte sie einen Durchfluss von 514 Kubikmeter pro Sekunde (m3/s). Der Rekord-Durchfluss datiert aus dem Jahr 1999 mit 613 m3/s.
08.20 Uhr: Für das Berner Mattequartier hat die Feuerwehr Bern eine Hochwasserwarnung ausgesprochen. Sämtliche Fahrzeuge müssen aus den gefährdeten Gebieten an der Aare entfernt und in höher gelegene Bereiche verschoben werden, heisst es. Dazu zählen die Gebiete von Felsenau bis Tierpark.
08.15 Uhr: Der Pegel des Zürichsees stieg am frühen Donnerstagmorgen auf 406,6 Meter über Meer und erreichte damit Gefahrenstufe 4. Einzelne Uferabschnitte könnten überflutet wurden.
Weniger prekär ist die Situation an den anderen beiden grossen Zürcher Seen: Für den Greifensee gilt weiterhin Gefahrenstufe 3, für den Pfäffikersee Gefahrenstufe 2.
Die Flüsse im Kanton führen allgemein viel Wasser. Der Wasserstand der Limmat wird aufgrund des hohen Zürichsee-Pegels in den kommenden Tagen hoch bleiben.
Niederschläge lassen allmählich nach
Seit Mittwochabend regnet es wieder verbreitet. Laut «SRF Meteo» waren bis 4 Uhr bereits 10 bis lokal 30 mm Regen gefallen. Es gibt aber auch gute Nachrichten: Die Niederschläge lassen laut «MeteoNews» am Donnerstagmorgen von Norden her allmählich etwas nach.
Zudem wird der heutige Regen nach den neuesten Modellen weniger intensiv ausfallen als gestern erwartet.
Nach kräftigen #Regenfällen in der Nacht lassen die #Niederschläge am Donnerstagmorgen von Norden her allmählich etwas nach. Es wird zwar tagsüber noch zeitweise nass bleiben (verbreitet 5 bis 15 mm #Regen), es gibt aber trotzdem eine leichte Beruhigung. (rv) pic.twitter.com/qGd6C3yyqj
— MeteoNews Schweiz (@MeteoNewsAG) July 15, 2021
Trotz der leichten Regen-Entspannung ist aber klar: Die Hochwassersituation hat sich mit dem neuen Regen weiter verschärft. Die Wasserstände etwa des Vierwaldstättersees, des Bielersees und der Aare bei Bern, des Rheins in Basel und des Zürichsees gingen in den frühen Morgenstunden weiter in die Höhe, wie aus den Messdaten des Bundes hervorging.
Am Vierwaldstättersee schwappte der Pegel einen Zentimeter über die Hochwasser-Grenze der höchsten Stufe 5 (434.75 Meter). Laut der «Luzerner Zeitung» wird für den Donnerstag erwartet, dass die kritische Pegelgrenze von 435 Metern über Meer überschritten wird. «Das Hochwasser kommt. Noch ist nicht klar, ob schon am Mittag oder erst am Nachmittag», schreibt die Zeitung.
Laut dem Luzerner Feuerwehrkommandanten Theo Honermann werden beim Überschreiten der 435-Meter-Marke zuerst alle Brücken mit Ausnahme der Seebrücke gesperrt. Letztere wird gesperrt, wenn der Autoverkehr wegen des Hochwassers nicht mehr über den Schweizerhofquai rollen kann. Honermann sagte zur Zeitung, wer nicht zum Arbeiten oder für Erledigungen nach Luzern kommen müsse, solle besser zu Hause bleiben.
Keine Nacht-Einsätze in Bern und Luzern
Bern und Luzern rüsten sich wegen der Wasserstände beim Vierwalstättersees und beim Bielersee für ein neues Jahrhunderthochwasser. Doch in der Nacht blieb es offenbar noch ruhig. Am frühen Donnerstagmorgen sagte eine Mitarbeiterin der Einsatzzentrale der Luzerner Polizei gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA, dass es trotz des steigenden Pegels vorerst nicht zu ausserordentlichen Einsätzen gekommen sei.
Auch im Kanton Bern blieben grössere Einsätze zunächst aus, wie es bei der Einsatzzentrale der Polizei auf Anfrage hiess. In Biel hätten die gestiegenen Wassermassen allerdings bereits an mehreren Orten Schachtdeckel hochgedrückt.
Mittlerweile richtig krass hier in Nidau am #Bielersee. Die Schüss und die #Aare bringen weiterhin viel Wasser in den See. #Hochwasser #Unwetter @watson_news @20min @Blickch @srfmeteo pic.twitter.com/XmtRjZyC5F
— klar gitts schlimmers (@Eutschgi) July 14, 2021
Der Bund prognostizierte für die nächsten Tage weiter steigende Fluss- und Seepegel. Das Bundesamt für Umwelt erwarte in den betroffenen Gebieten zwischen 60 und 80 Millimeter Regen, sagte David Volken, Hydrologe des Bundesamts für Umwelt (Bafu) in der SRF-TV-Sendung «10 vor 10» vom Mittwoch.
Die Prognosen zeigten, dass kritische Werte erreicht werden könnten. Einen Wasserhochstand wie bei dem 2005 als Jahrhunderthochwasser eingestuften Unwetter werde aber vermutlich nicht erreicht. Damals verursacht das Hochwasser schweizweit rund drei Milliarden Franken Schäden.
Übersicht zu den Hochwassern (gilt vorerst bis Samstagmittag)
Regionen mit sehr grosser Hochwassergefahr Stufe 5 von 5:
• Vierwaldstättersee mit Reuss bis zur Mündung Kleine Emme
• Thunersee
• Bielersee
Regionen mit grosser Hochwassergefahr Stufe 4 von 5:
• Zürichsee
• Reuss ab Mündung Kleine Emme bis Mündung Aare
• Aare vom Thunersee bis zum Bielersee
• Brienzersee
• Rhein ab Mündung Aare bis Basel