Immer mehr Geimpfte infizieren sich mit dem Coronavirus
Das BAG meldet rund 150 Geimpfte, die sich mit dem Coronavirus infiziert haben. Das war zu erwarten – die Dunkelziffer dürfte noch deutlich höher liegen.
Das Wichtigste in Kürze
- Offiziell haben sich in der Schweiz bisher 151 geimpfte Personen mit Corona infiziert.
- Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher sein.
- Trotz 95 Prozent Schutzwirkung sollten Geimpfte weiter die Massnahmen berücksichtigen.
Die Zahl der Geimpften, die sich in der Schweiz mit dem Coronavirus infiziert haben, steigt: Bis vergangenen Freitag hat das BAG 151 Fälle des Coronavirus bei Geimpften registriert. Tatsächlich dürften sich deutlich mehr Geimpfte infiziert haben.
Das überrascht nicht: Die Impfstoffe von Moderna und Pfizer haben «nur» eine Schutzwirkung von 94 und 95 Prozent. Doch was bedeutet der Prozentsatz eigentlich – für die epidemiologische Entwicklung und für die Geimpften?
95 Prozent Schutzwirkung
Auch dem BAG scheint bewusst zu sein, dass die Schutzwirkung nicht ganz leicht verständlich ist. Kürzlich wagte daher Christoph Berger, Präsident der eidgenössischen Impfkommission, einen Erklärungsversuch.
Doch auch Bergers Erklärung hat Lücken. Cornelia Staehelin, Oberärztin am Impfzentrum des Berner Inselspitals, führt aus: «In den Studien zeigte sich, dass von 100 Personen, die an Covid-19 erkrankten, 95 nicht geimpft waren. 5 Personen hatten den richtigen Impfstoff erhalten.»
Am Beispiel Pfizer lässt sich der Wert konkret nachrechnen: In der ersten Zulassungsstudie wurden 18'198 Menschen geimpft und mit 18'325 nichtgeimpften verglichen. In den beiden in etwa gleich grossen Gruppen wurden insgesamt 170 Infektionen mit dem Coronavirus gezählt. 162 davon – respektive rund 95 Prozent der Infektionen – wurden in der Gruppe der Nichtgeimpften gezählt.
80 Infektionen wöchentlich mit dem Coronavirus bei Geimpften
Mithilfe der Schutzwirkung und der BAG-Zahlen lässt sich ein Schätzwert für Corona-Infektionen unter Geimpften berechnen: Zuletzt waren rund 17 Prozent der Schweizer Bevölkerung vollständig geimpft. Doch bei 5 Prozent dieser Menschen respektive 0,85 Prozent der Landesbevölkerung dürfte statistisch gesehen die Schutzwirkung versagen.
Seitdem wurden in sieben Tagen rund 8000 Infektionen gezählt. Statistisch dürften davon also 0,85 Prozent – rund 70 Fälle – bei Geimpften aufgetreten sein.
Die Zahl dürfte schnell steigen: Mit der rasanten Entwicklung des Anteils der Geimpften steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich unter den Infizierten Geimpfte befinden.
Schutzwirkung höher als gedacht?
Das BAG zählte bis vor einer Woche insgesamt 134 Infektionen bei Geimpften, seitdem wurden 17 weitere gezählt. Theoretische Berechnung (80) und gezählte Fälle (17) klaffen weit auseinander. Ist die Schutzwirkung höher, als man dachte?
«Das ist weit weniger als in den Zulassungsstudien», urteilt auch Staehelin. Es müsse mit einer deutlich höheren Dunkelziffer gerechnet werden. Denn wenn sich Geimpfte infizieren sollten, haben sie dennoch eine niedrigere Wahrscheinlichkeit für einen schweren Verlauf. Viele von ihnen «waren aber wohl nur so leicht erkrankt, dass sie keinen Test machen liessen».
Kaum Altersvorteile bei der Impfung
Auch wenn das Risiko deutlich sinkt: Die Impfung ist kein garantierter Schutz. Und auch wenn junge Menschen seltener schwer am Coronavirus erkranken: Die Schutzwirkung der Impfung unterscheidet sich zwischen den Altersgruppen nur marginal. «Das Alter der geimpften Person ist bei den mRNA-Impfstoffen kein sehr entscheidender Faktor», gibt Staehelin zu bedenken.
Solange das Virus noch weit verbreitet ist, bleibt das Restrisiko einer Infektion. Angesichts dessen mahnt Staehelin auch die Geimpften zur Vorsicht: «Die Hygiene- und Verhaltensregeln bleiben wichtige Massnahmen, um sich vor dem Coronavirus zu schützen – auch für Geimpfte.»