Kein Platz im Heim – unschuldige Teenies landen im Knast
Die Kesb platzierte 2021 und 2022 27 Jugendliche im Gefängnis Thun, obwohl sie kein Gesetz gebrochen haben. Die Antifolterkommission ist alarmiert.
Das Wichtigste in Kürze
- Wegen Platzmangels in Heimen müssen immer mehr Jugendliche unschuldig ins Gefängnis.
- Die Kesb verteidigt sich, man platziere Teenager nur in Ausnahmefällen in Gefängnissen.
- Die Antifolterkommission hingegen sieht die Kinderrechtskonvention verletzt.
Sie war gerade mal 14 Jahre jung, doch auf sich alleine gestellt. Die Mutter war früh gestorben, der Vater kümmerte sich nicht um das Mädchen. Es war aus Pflegefamilien und Institutionen abgehauen, nahm Drogen, konsumierte Alkohol und landete auf der Strasse.
Eines Nachts wurde sie von der Polizei aufgegriffen. Wegen einer Gefährdungsmeldung wurde die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) aktiv. Doch keine Institution wollte das Mädchen aufnehmen, weshalb es im Gefängnis Thun landete – unschuldig und für mehrere Wochen. Diesen Fall schildert Kinderanwältin Laura Jost gegenüber SRF.
Und die 14-Jährige ist nicht die Einzige: Wegen Platzmangels in Heimen, Institutionen und Psychiatrien muss die Kesb immer mehr Jugendliche in Gefängnissen platzieren. Obwohl sie nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind. Damit sollen sie von der Strasse geholt werden und ein Dach über dem Kopf haben, bis es irgendwo Platz gibt. Laut SRF wurden 2021 und 2022 insgesamt 27 Jugendliche so ins Gefängnis Thun eingewiesen, in Basel fünf.
Die Unterbringung von unschuldigen Jugendlichen in Gefängnissen sorgt für Kritik: Sie hätten «im Gefängnis nichts zu suchen», sagt Martina Caroni, Präsidentin der Antifolterkommission. Die Teenager könnten dort nicht altersgerecht behandelt werden. Es sei ein Verstoss gegen die Kinderrechtskonvention.
Kinderanwältin Laura Jost kritisiert, dass die unschuldigen dort mit straffälligen Jugendlichen eingesperrt würden. Es gebe kaum therapeutische Betreuung und keinen Schulunterricht.
«Man verhindert, dass man Teenager im Rausch im Strassengraben findet»
Verteidigt wird die Massnahme von Andrea Zimmermann, Leiterin der Jugendabteilung des Gefängnisses Thun und Sozialpädagogin. Der Aufenthalt dort solle kurz und die Ultima Ratio sein. Dadurch erhalte die Kesb mehr Zeit, um einen geeigneten Platz zu finden. Und man verhindere so, dass Jugendliche im Winter im Drogenrausch und ohne Kleider in einem Strassengraben gefunden würden.
Adrian Brand, Geschäftsleitungsvorsitzende der Kesb im Kanton Bern, spricht davon, dass es nur in «absoluten Ausnahmesituationen» nötig sei. Beispielsweise, wenn die Polizei einen Teenager aufgreift, der aus einer geschlossenen Institution abgehauen sei. Dann sei es oft nicht möglich, ihn sofort dorthin zurückzubringen.
Die Kesb beruft sich bei den zivilrechtlichen Einweisungen in ein Gefängnis auf das Zivilgesetzbuch. Gemäss Artikel 37 muss sie stets die «geeigneten Massnahmen» treffen, um ein Kind zu schützen, dessen Wohl gefährdet ist. Brand von der Berner Kesb spricht dann auch davon, dass man stets die mildeste Massnahme wähle.