«Keine Krise»: Spital-CEO kritisiert «Angst-Berichterstattung»
Behörden warnen vor einer Überlastung der Spitäler. Der CEO des Bethanien-Spitals sieht das weniger dramatisch und kritisiert die «Angst-Berichterstattung».
Das Wichtigste in Kürze
- BAG & Co. warnen fast wöchentlich vor Engpässen auf den Intensivstationen.
- Marc Elmiger, Direktor des Privatspitals Bethanien, spricht von einem Normalbetrieb.
- Sollte sich die Lage zuspitzen, könnten rasch neue Betten geschaffen werden, sagt er.
Noch immer sei die Situation «besorgniserregend», erklärte BAG-Mann Patrick Mathys am Dienstag. Die Einschätzung reiht sich ein in diverse Warnungen der Behörden vor einem drohenden Engpass auf den Intensivstationen.
Doch nicht alle Spitäler teilen diese Analyse. Marc Elmiger ist Direktor der Zürcher Privatklinik Bethanien, die rund 330 akkreditierte Ärzte aus verschiedenen Fachrichtungen beschäftigt. Er sagt im Interview, dass die aktuelle Covid-Situation «dramatisiert» werde.
Nau.ch: Herr Elmiger, viele Spitäler sind offenbar bereits wieder am Anschlag, die Intensivstationen des Landes rappelvoll. Wie sehen Sie die Situation als Direktor eines Privatspitals?
Marc Elmiger: Ich betrachte die Situation deutlich gelassener, als sie in den Medien dargestellt wird. Sicher: In einzelnen Intensivstationen spielen sich komplizierte Szenen ab, weil sie durch Covid-Patienten gefüllt sind. Und es ist tatsächlich schwierig, qualifiziertes Personal zu finden. Dennoch wird die Situation von diversen Seiten dramatisiert. In der Summe erkenne ich keine Gesundheitskrise in der Schweiz.
Nau.ch: Wie kommen Sie zu diesem Schluss?
Marc Elmiger: Zum vierten Mal wird nun davor gewarnt, dass das Gesundheitswesen vor dem Kollaps steht – trotz breit geimpfter Bevölkerung. Ich beobachte, dass die vorhandenen Intensivbetten mit einem sehr hohen Standard betrieben werden, was auf einen Normalbetrieb und nicht auf einen Krisenbetrieb hindeutet. Das irritiert mich. Denn gemäss BAG haben wir in der Schweiz aktuell über 20 Prozent freie Betten inklusive Personal. Dabei ist es Courant normal, dass die Intensivstationen gut ausgelastet sind.
Nau.ch: Also betreiben Behörden und Spitäler Panikmache?
Marc Elmiger: Nein, aber das Bild der Situation wird düsterer gemalt, als es ist. Fakt ist: Wenn es wirklich eng wird, lassen sich elektive Eingriffe auch einen Tag vor dem Termin noch stoppen. Ausserdem würde man dann auch die Privatspitäler stärker involvieren. Der Bettenengpass bezieht sich hauptsächlich auf die grossen Listenspitäler.
Nau.ch: Sind Sie denn bereit, andere Spitäler zu entlasten?
Marc Elmiger: Selbstverständlich! Wir haben dies bereits getan und haben in der letzten Welle zu Jahresbeginn Patienten vom Universitätsspital Zürich übernommen. Die Klinik Bethanien ist ins Dispositiv der Gesundheitsdirektion eingebunden und hat den Status eines C-Spitals. Die Zusammenarbeit unter uns Leistungserbringern hat dabei bestens funktioniert.
Nau.ch: Wie sind Sie als Privatspital von der aktuellen Situation betroffen?
Marc Elmiger: Aktuell liegen bei uns keine Covid-Patienten, wir können aber Patienten übernehmen, um andere Spitäler zu entlasten. Auch Privatspitäler müssen einen Beitrag leisten. Wir könnten bei einem Notstand einen Teil unserer Betten für Intensivpflege umfunktionieren. Das bedeutet dann aber für uns, dass wir weniger Operationen durchführen können. Ohne akute Krise macht dies aus meiner Sicht keinen Sinn. Ich erwarte vom Kanton Zürich, dass er über seine Grenzen hinausschaut, indem Covid-Patienten über die Kantonsgrenzen hinaus verlegt werden, zum Beispiel durch das Engagement der Rega, und Wahleingriffe an die Privatspitäler ausgelagert werden.
Nau.ch: Also geht es vor allem um Ihr Geschäft?
Marc Elmiger: Natürlich lassen sich finanzielle Aspekte für die Spitäler nicht einfach ignorieren. Viel wichtiger ist aber die Gesundheit der Patienten. Weil viele Menschen glauben, dass die Schweizer Spitäler kurz vor dem Kollaps stehen, verschieben sie Eingriffe, die eigentlich gemacht werden müssten. Einerseits haben sie die unbegründete Angst, sich mit Covid anzustecken. Andererseits fürchten sich wohl viele, dass sie die Behandlung nicht in gewohntem Rahmen erhalten. Beides ist falsch. Doch die Angst-Berichterstattung verstärkt diese Zurückhaltung im Nicht-Covid-Bereich.
Nau.ch: Was wäre denn die Lösung für dieses Problem?
Marc Elmiger: Es muss klar kommuniziert werden, dass die Situation zwar in einzelnen Regionen ernst ist, wir aber gesamthaft Schweiz weit gesehen keine kriegsähnlichen Zustände in den Spitälern haben. Für Nicht-Covid-Patienten sind Eingriffe also problemlos möglich. Und sollte sich die Lage tatsächlich verschlimmern, können zusätzliche Betten rasch geschaffen werden.