KI-Models kommen: «Echte Influencer müssen sich Job-Sorgen machen»
Jetzt überlegen auch erste Schweizer Firmen, auf KI-Influencer zu setzen. Müssen sich echte Job-Sorgen machen? Nein, sagen Influencer. Ja, sagt ein KI-Experte.

Das Wichtigste in Kürze
- Die Schweizer Mode-Firma Nikin überlegt sich, künftig auf KI-Influencer zu setzen.
- «Unterschiede sind visuell kaum mehr erkennbar», sagt Mitgründer Nicholas Hänny.
- Der Schweizer KI-Chef Chris Beyeler sieht keine gute Zukunft für echte Influencer.
- Die Zürcher Influencerin Andrea Monica Hug widerspricht.
Andrea Monica Hug (35) ist eine der bekanntesten Influencerinnen der Schweiz. Mit ihren gut 23'000 Followern auf Instagram teilt sie etwa Erlebnisse aus ihrer Arbeit als Fotografin. Und wirbt unter anderem für Taschen, Schuhe oder Parfüms. Die Zürcherin existiert in echt.

Aitana Lopez (25) ist eine der bekanntesten KI-Influencerinnen der Welt. Auf Instagram folgen dem Fitnessmodel 358'000 Menschen. Aitana existiert nicht. Sie wurde einst von der spanischen Werbeagentur «The Clueless» erschaffen – aus Kostengründen.

Das dürfte bald Schule machen. Immer mehr Unternehmen erwägen, von echten auf KI-Influencer umzustellen.
Auch in der Schweiz.
Nikin-Gründer: «Unterschiede kaum mehr erkennbar»
Noch arbeitet Nikin, Hersteller von nachhaltiger Schweizer Mode, nicht mit künstlich erschaffenen Influencern zusammen.
CEO und Mitgründer Nicholas Hänny stellt aber klar: «Persönlich sehe ich durchaus Potenzial darin, KI-Influencer oder Content Creator künftig einzusetzen.»

Hänny schaut auch nach Deutschland, wo etwa ein KI-Influencer mit dem Tourismusverband zusammengearbeitet hat. «Dieses Modell finde ich grundsätzlich spannend und zukunftsfähig.»
Auch wenn echte Influencer Vorteile in zwischenmenschlichen Beziehungen bieten und man diese aktuell bevorzuge: «Wir haben Tests mit KI-Models gemacht und festgestellt: Der technische Fortschritt ist heute so weit, dass Unterschiede visuell kaum mehr erkennbar sind.»
Zürcher Influencerin Hug: «Angst habe ich nicht, aber ...»
Auf mögliche Angst um ihre berufliche Zukunft angesprochen, sagt Influencerin Hug. «Angst habe ich nicht, aber ich beobachte die Entwicklung aufmerksam.» Sie ist überzeugt, dass Menschen sich «nach authentischen Verbindungen sehnen».
Tatsächlich?

Schweizer KI-Chef: Das können KI-Influencer besser
Chris Beyeler, Präsident des Verbands für künstliche Intelligenz (KImpact), sieht die Zukunft von echten Influencern weniger rosig. «Echte Influencer müssen sich auf jeden Fall Job-Sorgen machen.»
Was er beobachtet: «Influencer wünschen sich noch immer, dass Authentizität gewinnen wird. Oder der persönliche Kontakt und die Echtheit.»
«Perfekter, nie krank»
Doch dann komme ein KI-Influencer, der «perfekter ist, nie krank, immer authentisch, weil es/er/sie kommunikativ stärker ist. Und auf alles so eingehen kann, wie es Community und auch Werbepartner wollen.»

Das Problem: «Social Media gaukelt nur Nahbarkeit vor, wo keine ist. Influencer wurden zu Litfasssäulen von Werbeunternehmen. Oder verkaufen sich mit ihren Ideen und Produkten selber.»
Hug trifft Follower auf der Strasse – «Das kann KI nicht passieren»
Dem widerspricht Hug vehement. Zum Beispiel treffe sie ihre Follower auch auf der Strasse.
Hug, erhalte dann oft Feedback wie «Du bist so authentisch, das mag ich an dir!»
Sie sagt: «Ich werde angesprochen oder sogar umarmt – das kann KI nicht passieren.»
Zudem nehme sie ihre soziale Verantwortung im Netz wahr. Wenn jemand beleidigt, dann kontaktiere Hug ihn persönlich und konfrontiere ihn damit. Nötigenfalls leitet sie auch andere Schritte ein.

Hug unterstreicht weiter die Live-Events, Interviews und Meet-and Greets, die KI-Influencer nicht wahrnehmen könnten.
«... der hat die aktuelle Entwicklung leider verschlafen»
Beyeler glaubt, dass «physische Events» aktuell tatsächlich noch das «Alleinstellungsmerkmal» von echten Influencern sei.
Doch wie lange noch?
«Robotik ist ein aktuell enorm schnell wachsendes Feld. Wer sich also noch keine Sorgen dazu macht, dass ein digitaler Influencer irgendwann als synthetisches Abbild in Form eines Roboters rumlaufen wird. Der hat die aktuelle Entwicklung leider verschlafen.»
Noch kein ernstzunehmender Schweizer KI-Influencer
Die Zürcher Influencer-Marketing-Agentur «Brandentertainment» betreut Promis wie Anja Zeidler oder Mirjana Vasovic (ehem. Zuber).
CEO Ziad El Semari kann ein wenig beruhigen: «In der Schweiz gibt es meiner Meinung nach noch keine ernstzunehmenden KI-Influencer, welche wir unter Vertrag nehmen würden.»
Er sagt aber auch: «Im digitalen Bereich stehen KI-Influencer den echten Influencern in Nichts nach.» Der Beruf der echten Influencer würde sich deshalb verändern.

Der Trend gehe in Richtung Events, wo echte Influencer ihre Follower physisch treffen können. El Semari vergleicht es mit der Musik-Industrie Ende der 00er-Jahre, wo man sich auch neu erfinden musste.
«Musiker verdienten nicht mehr so viel Geld mit dem Verkauf von CDs. Und mussten das Geld bei den Konzerten wieder reinspielen.»
Beldona will keine KI-Influencer – «Wir wollen echte Frauen»
Während man bei Nikin daran denkt, künftig KI-Influencer einzusetzen, gibt es auch Schweizer Firmen, die skeptisch sind.
Das Unterwäsche- und Bademode-Geschäft «Beldona» setzt bewusst auf echte Models und Influencer.
«Wir wollen Geschichten von echten Frauen erzählen. Gerade im Bereich Lingerie und Mode ist es uns wichtig, dass sich unsere Kundinnen mit den gezeigten Frauen identifizieren können.»
Mode sei mehr als nur Ästhetik. «Es geht um die Stärkung des Selbstbewusstseins, das Verständnis der Kunden und Kundinnen in jeder Lebensphase. Und das Begleiten in guten und schwierigen Zeiten.»
Heidi-Klum-Show-Gewinner schliesst KI-Influencer nicht aus
«Nicht ausgeschlossen» ist eine Zusammenarbeit mit KI-Influencern beim «maison blanche». Geführt wird dieses vom Basler Designer Yannik Zamboni, der auch schon bei einer TV-Show von Heidi Klum gewann.

KI-Influencer würden im Bezug auf kreative Kontrolle, Verfügbarkeit und Skalierbarkeit interessante Möglichkeiten bieten. Der Fokus liege auf echten Persönlichkeiten.
Bei Globus sieht man «neue kreative Möglichkeiten», sieht aber Aspekte, die KI-Influencer noch nicht können.
Transparenz? «Es ist ein wilder Westen»
KI-Verbands-Präsident Beyeler glaubt, dass man bald einmal auch in der Schweiz weniger zurückhaltend sein wird. «Konservativ wie wir in der Schweiz sind, wollen wir die Echtheit ins Zentrum stellen. Mittel- bis langfristig wird sich dies aber definitiv ändern.»
Passieren werde dies spätestens, wenn es den oder die erste grosse KI-Influencerin gibt.
Ob echt oder künstlich: Firmen sollten transparent sein, wer nun gerade für sie modelt, fordert Beyeler. Mit jedem Tag werde es schwieriger, zu unterscheiden.
Leider hielten sich aber viele nicht daran, einen Avatar als künstlich hergestellte Person zu deklarieren. «Die gesamte Influencer-Werbebranche ist ein wilder Westen.»