Klima-Aktivisten benötigten in Haft einen Seelsorger
Nach zwei Nächten in Haft liess die Staatsanwaltschaft Zürich heute Morgen fast alle 60 inhaftierten Klima-Aktivisten frei. Diese litten auch psychisch.
Das Wichtigste in Kürze
- In Zürich lässt die Staatsanwaltschaft heute die restlichen 60 Klima-Aktivisten frei.
- Zwei Nächte lang blieben sie aufgrund einer Sitzblockade vor der Credit Suisse in Haft.
- Freigelassene Aktivisten erzählen von ihren 48 Stunden in Haft.
Am Montag blockierten in Zürich zahlreiche Klima-Aktivisten die Eingänge der Credit Suisse. Ein Grossaufgebot der Polizei verhaftet daraufhin 64 Personen. Gestern Dienstag wurden lediglich drei Minderjährige und der Greenpeace-Sanitäter Arsène Formaz (53) entlassen.
Die anderen 60 mussten eine zweite Nacht im Knast ausharren. Heute Vormittag wurden jedoch etappenweise die Aktivisten entlassen – bis auf zwei.
Die Staatsanwaltschaft hat für die beiden Personen beim Zwangsmassnahmengericht Antrag auf Anordnung von Untersuchungshaft gestellt. Beide bleiben in Haft. Bei ihnen besteht laut der Zürcher Oberstaatsanwaltschaft nebst dringendem Tatverdacht auch Verdunkelungs- und Fluchtgefahr.
Weitere 54 Erwachsene wurden mit Strafbefehl bestraft und am Donnerstagvormittag aus der Haft entlassen. Alle haben sich des Straftatbestandes der Nötigung schuldig gemacht, einige zusätzlich auch des Straftatbestandes des Hausfriedensbruchs. Eine Person wurde freigelassen und deren Verfahren an einen anderen Kanton abgetreten.
«Ich war drei Viertel der Zeit ganz alleine!»
Für Frida Kohlmann vom Collective Climate Justice, welches hinter den Protest-Aktionen der Grossbanken steht, dauerte die Haft zu lange. «Es wurde schon bei einer grösseren Anzahl Menschen schneller abgewickelt.»
Die Gruppierung empfing sowohl am Dienstag, wie auch Mittwoch-Morgen mit Jubel und Musik die Freigelassenen vor der Kaserne Zürich. Auch veranstalteten sie «Knastspaziergänge», um sich mit den Inhaftierten solidarisch zu zeigen.
Was diese durchaus zu schätzen wissen, sagt die 26-jährige Letizia, welche am Mittwochmorgen freigelassen wurde. Doch: «Als draussen die Demo statt fand, wurden bei uns die Fenster geschlossen, damit wir nicht mehr mit ihnen kommunizieren konnten.»
Happiger war die Zeit für den 25-jährigen Aktivist Martin. «Für mich waren die 48 Stunden schlimm, ich war drei Viertel der Zeit ganz alleine», beschwert er sich. «Das schlägt schon auf die Psyche.» Er habe zum Glück die Möglichkeit gehabt, einen Seelsorger für 10 Minuten bei sich zu haben.
Ein Einschüchterungsversuch?
Die Oberstaatsanwaltschaft selber begründete den längeren Haft-Aufenthalt mit der verhältnismässig grossen Anzahl Inhaftierter. Anders sehen dies die Aktivisten oder auch die Klima-Grosseltern, die bei Nau am Dienstag von einem Einschüchterungsversuch sprachen.
Auch für Frida Kohlmann wäre dies naheliegend. Aber: «Wenn das so sein sollte, können wir sagen: Aktivisten lassen sich nicht einschüchtern.» Das Collective Climate Justice bleibe am Thema dran. Auch die beiden freigelassenen Aktivisten sagen klar: «Wir würden es wieder machen, auf jeden Fall.»
Greenpeace ist stinksauer
Auch Greenpeace zeigte sich bestürzt. Man halte die Verhaftungen für «inakzeptabel» und «unannehmbar». Der Protest sei friedlich gewesen und man hätte lediglich bei der Räumung «passiven Widerstand geleistet».
Auch wurde ein Greenpeace-Sanitäter zu Unrecht verhaftet und sagt zu Nau: «Die Staatsanwaltschaft hat sich bei mir entschuldigt. Man hat mir sogar eine Entschädigung zugestanden. Wie hoch diese ist, weiss ich noch nicht.»
#KlimaschutzistkeinVerbrechen Solidaritätsbekundung für die KlimaschützerInnen, die nach wie vor in Haft sind. pic.twitter.com/NNvZAtcVZ7
— Greenpeace.ch (@greenpeace_ch) July 9, 2019
Unter den Verhafteten befanden sich 26 Aktivisten der Umweltschutzorganisation. Greenpeace stellt darum klar: «Friedliche Klimaaktivisten dürfen nicht wie Verbrecher behandelt werden». Der grosse Polizeieinsatz sei «unverhältnismässig» gewesen.
Mit einem Eil-Appell forderte die Organisation «Fossil Free Switzerland» die Freilassung der Aktivisten. Bisher unterschrieben mehr als 4000 Menschen die Petition.