Krankenkasse: Schweizer künden Zusatzversicherungen –Experten warnen
Die Krankenkassenprämien steigen erneut an. Für viele eine grosse Bürde. Einige sehen kaum mehr Sparpotenzial – ausser bei den Zusatzversicherungen. Mit Folgen?
Das Wichtigste in Kürze
- Prämien-Sparpotenzial ist bei vielen kaum vorhanden. Ausser bei den Zusatzversicherungen.
- Daran glauben muss etwa die Alternativversicherung. Doch machen solche Kündigungen Sinn?
- Experten ordnen ein.
Neues Jahr, neue Prämienerhöhung. Auch 2025 wird die Krankenkassen-Prämienrechnung für viele Schweizer teurer sein als bisher.
Durchschnittlich steigt die Prämie für die Grundversicherung um sechs Prozent. Die Monatsprämie beträgt somit im Schnitt 378.70 Franken. Dies ist ein Anstieg um 21.60 Franken.
Wer bereits die höchste Franchise und das günstigste Grundversicherungs-Modell gewählt hat, hat kaum mehr Sparpotenzial. Entsprechend gross ist der Frust beim Eintreffen der neuen Police.
So auch bei Flavia Stoll* (39) aus Freiburg. Ihre neue Prämie würde pro Monat 426.25 Franken kosten. 26 Franken mehr als aktuell. «Das ist einfach ein riesiger Betrag und eine viel zu hohe Steigerung von einem Jahr aufs nächste», findet die zweifache Mutter.
Die einzige Möglichkeit, die sie noch hat, um Kosten zu sparen, liegt bei den Zusatzversicherungen. Deshalb hat sie entschieden, ihre Alternativversicherung, die neu 25.70 Franken pro Monat kostet, zu künden.
Und sie weiss noch von anderen in ihrem Umfeld, die sich dazu gezwungen sehen. «Ich sehe keine andere Spar-Möglichkeit mehr», erklärt sie den Entscheid, der ihr schwer gefallen ist.
Krankenkasse kann «ohne Begründung» nein sagen
Denn ihr wurde stets eingetrichtert, wie wichtig solche Zusatzversicherungen sind. Entsprechend warnt der Experte: «Bei Zusatzversicherungen muss man einen Gesundheitsfragebogen ausfüllen und der Versicherer darf interessierte Versicherte auch ohne Begründung ablehnen», erklärt Felix Schneuwly. Er ist Mediensprecher und Gesundheitsexperte beim Internetvergleichsdienst Comparis.
Hat Flavia also erst einmal ihre Alternativversicherung gekündigt, ist es alles andere als sicher, dass sie je wieder eine erhält.
Auch bei der Budgetberatung Schweiz sind die hohen Kosten ein Dauerbrenner. «Die Prämien sind neben Steuern und Miete die grösste Belastung im Budget», weiss Geschäftsführer Philipp Frei. Deshalb rät er seinen Klienten, wirklich nur jene Zusatzversicherungen abzuschliessen, die sie auch wirklich nutzen. «Hier haben tatsächlich viele Personen Sparpotenzial», pflichtet er Leserin Flavia Stoll bei.
Aber: Gerade für Menschen mit wenig Geld seien bestimmte Zusatzversicherungen «unglaublich wichtig.» Dies betreffe vor allem die Zusatzversicherung für Zahnprobleme und Sehhilfen. «Diese sind sehr günstig und verhindern hohe Kosten, die gerade für Haushalte mit geringem Einkommen schnell zu einem Problem werden.»
Deshalb warnt auch Frei: «Die günstigste Lösung ist nicht immer die beste.» Er berate immer wieder Klienten, welche die Franchise auf 2500 Franken festgesetzt haben, um Prämien zu sparen. «Sie können diese hohe Franchise aber gar nicht bezahlen, also lassen sie sich teils auch bei massiven Gesundheitsproblemen nicht behandeln – aus Angst vor den Rechnungen», so Frei.
Komplementärmediziner kämpfen gegen Streichung aus Grundversicherung
Der Dachverband der Komplementärmedizin Dakomed sieht das Nein zu Zusatzleistungen aus der Krankenkasse als «eine relevante Einschränkung». Jedoch nicht als eine, die die Grundversorgung der Gesundheit des Versicherten in Frage stellen würde.
«Denn auch bei Kündigung der Zusatzversicherung kann man aktuell ja weiterhin Leistungen der Komplementärmedizin beanspruchen, eben entweder bei der Ärztin oder beim Arzt, wo heute fünf Methoden von der Grundversicherung übernommen werden. Oder aber man bezahlt die Leistungen halt selbst», erklärt Martin Bangerter, geschäftsführender Co-Präsident des Verbands.
Die Frage sei: «Will ich das Risiko eingehen und auf eine Zusatzversicherung – und damit auf weitergehende komplementärmedizinische Leistungen – verzichten?»
Sollten diese ärztlichen Leistungen allerdings aus der Grundversicherung ausgeschlossen werden – so wie es aktuell eine FDP-Motion verlangt – hätte man keinen Zugang zu entsprechenden Therapien mehr. Ausser auf eigene Kosten.
Deshalb setzt der Dakomed gemäss Bangerter alles daran, dass der Ständerat den Vorstoss ablehnt und den Entscheid des Nationalrats korrigiert.
Denn das wäre gemäss Bangerter nicht nur schlecht für sämtliche Berufszweige der Alternativmedizin, sondern würde auch keine Kosten sparen – und zudem noch die Verfassung missachten.
«Die Komplementärmedizin aus der Grundversicherung zu streichen, würde die soziale Krankenversicherung in Frage stellen und einer von allen gefürchteten Zweiklassenmedizin Vorschub leisten», betont er.
*Name von der Redaktion geändert