Lehrer ohne Diplom drohen bereits «auszubrennen»

Etienne Sticher
Etienne Sticher

Zürich,

Seit drei Monaten unterrichten auch Personen ohne Lehrdiplom. Viele Schulen geben positives Feedback, zwei Coaches warnen aber.

Lehrer
Viele der Quereinsteiger ohne Lehrerdiplom haben die Belastung unterschätzt. (Symbolbild) - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Viele Schulen machen positive Erfahrungen mit den Lehrpersonen ohne Diplom.
  • Zwei Coaches warnen, dass der Unterricht oft nicht stufengerecht sei.
  • Sie fordern eine bessere Ausbildung für Quereinsteiger mit finanzieller Unterstützung.

Schweizweit herrscht Lehrermangel, in mehreren Kantonen kommen deshalb Personen ohne entsprechendes Diplom zum Einsatz. Im Kanton Zürich unterrichten insgesamt 530 solcher Laien. Viele haben aber Vorerfahrungen als Klassenassistenz, ein ausländisches Diplom oder ein nicht abgeschlossenes Studium. Zudem erhielten sie einen Crashkurs der Pädagogischen Hochschule Zürich (PHZH).

Seit rund drei Monaten sind sie nun im Einsatz. Trotz anfänglicher Bedenken gibt es aus mehreren Schulen positives Feedback. Man habe nur positive Erfahrungen gemacht, sagt Barbara Landolt, Primarschulleiterin in Bülach, dem «Tagesanzeiger». Von den acht angestellten Personen ohne Lehrdiplom habe bis anhin keine gekündigt.

Lehrermangel
Der durchschnittliche Beschäftigungsgrad von Lehrern in der Schweiz liegt bei etwa 65 Prozent. (Symbolbild) - Keystone

In Kloten hat einer von sechs angestellten Laien gekündigt, konnte aber ersetzt werden. Es habe den Personen überall an Wissen gefehlt, sagt Jürg Hellmüller, Leiter der Schule Dorf/Feld. Dennoch sei er «sehr zufrieden mit den motivierten Kolleginnen und Kollegen. Sie sind eine Bereicherung».

Ein weniger positives Bild zeichnen zwei erfahrene Lehrerinnen, die seit Sommer Coachings für Personen ohne Lehrdiplom anbieten. Die Laien könnten nicht automatisch das Wissen von drei Jahren Vollzeitausbildung haben, sagt eine der beiden Trainerinnen.

Laien bauen rasch gute Beziehung zu Schülern auf

Der Unterricht sei meist lehrerzentriert, oft nicht stufengerecht, wenig rhythmisiert und kaum individualisiert. Den Laien fehle es an sonderpädagogischer Unterstützung. «Viele dieser Lehrpersonen haben die Belastung des Lehrberufs unterschätzt», so eine der erfahrenen Lehrerinnen. «Es droht bereits die Gefahr des Ausbrennens.»

Die beiden Coaches hoffen deswegen, dass die PHZH eine ausführlichere Ausbildung für Laien anbieten wird. Zudem bräuchte es für die Quereinsteiger auch bessere finanzielle Unterstützung während der Ausbildung, da viele familiäre Verpflichtungen hätten.

Lehrermangel
Für einige Quereinsteiger ist die Notsituation eine Chance. (Symbolbild) - Keystone

Sie sehen aber auch Positives. Beispielsweise berichten die beiden Coaches, dass es vielen Laien rasch gelinge, eine gute Beziehung zu den Kindern aufzubauen.

Auch Sarina Dietschwiler, eine Quereinsteigerin in Bülach, sieht die Notsituation als «super Chance». Sie hat bereits zuvor als Klassenassistentin in Kindergärten gearbeitet, jetzt leitet sie zusammen mit einer erfahrenen Lehrerin eine Klasse. Obwohl es für sie ein Traumjob sei, sei der reguläre Weg zum Diplom zu lange. Sie müsste die Berufsmaturität nachholen und anschliessend drei Jahre studieren.

Könnten Sie es sich vorstellen, zu unterrichten?

Die Zürcher Bildungsdirektorin Silvia Steiner will am Donnerstag eine neue Ausbildung an der PHZH für Notfall-Lehrer vorstellen. Dies könnte eine Chance für Sarina Dietschwiler sein und die Forderungen der beiden Coaches umsetzen.

Kommentare

User #1758 (nicht angemeldet)

Wem als Primarlehrer nach 15 Jahren auf dem Beruf gut 8000.- netto nicht reichen, der hat eine Meise und zwar eine gröbere!

User #1758 (nicht angemeldet)

Jep, man muss aber schon schauen, dass man was zur Seite legt. Um den Lebensstandard nach der Pensionierung halten zu können, braucht man bei der Pensionierung als Primarlehrer mit dauerhaft nur 50% Pensum etwa eine halbe Million, um die geringeren Einnahmen kompensieren zu können.

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