Long Covid: IV verwehrt 12-Jähriger den Elektro-Rollstuhl
Die 12-jährige Amira* leidet an schwerem Long Covid. Obwohl sie am ganzen Körper Schmerzen hat, lehnte die IV ihr Gesuch für einen Elektro-Rollstuhl ab.
Das Wichtigste in Kürze
- Bei Amira* (12) wurde der schwerste Long-Covid-Verlauf diagnostiziert.
- In der Schule habe sie sich vor Erschöpfung kaum noch auf dem Stuhl halten können.
- Die IV lehnte den Antrag der Mutter auf einen Elektro-Rollstuhl für ihre Tochter ab.
Bis zur Corona-Pandemie war Amira* ein aktives und energiegeladenes Mädchen. Doch im April 2021 erkrankt die heute 12-Jährige an Corona. Diagnose: ME/CFS – eine schwere neuroimmunologische Multisystemerkrankung und damit der schwerste Long Covid-Verlauf.
«Ich habe am ganzen Körper Schmerzen. Mich zu unterhalten, kostet sehr viel Energie», erklärt sie gegenüber dem «Kassensturz» von SRF. Manchmal könne sie nur nicken. Und wenn es ganz schlimm sei, könne sie gar nicht zuhören und auch keine Fragen beantworten.
«Es kostet mich zusätzlich Energie, wenn jemand in meinem Zimmer ist. Dann ist selbst meine Mama zu viel», sagt Amira über ihren Zustand. Laut ihrer Mutter, Judith Bossin, könne sie gerade noch essen. Viel mehr nicht.
Seit April 2023 nicht mehr in der Schule
«In der Schule hiess es ständig, sie sei so erschöpft, dass sie sich kaum noch auf dem Stuhl halten könne.» Seit April 2023 besucht sie die Schule nicht mehr. Kurz konnte Amira noch zuhause unterrichtet werden. Doch seither besteht ihr Terminplan nur noch aus Arztterminen und Essenszeiten.
Damit Amira nicht komplett ans Haus gebunden ist, beantragt ihre Mutter Anfang 2024 bei der IV einen Elektro-Rollstuhl. So soll die 12-Jährige auch mal ohne Mutter raus können.
Sie erhält von einem Reha-Techniker einen Monat lang einen elektrischen Rollstuhl zum Ausprobieren. Mit dem Probe-Rollstuhl kann Amira wieder in den Wald oder an den See.
IV lehnt Gesuch ab: Rollstuhl werde wohl nicht mindestens ein Jahr benötigt
Doch dann die Hiobsbotschaft der IV: Das Mädchen kriegt keine Kostengutsprache für den Elektro-Rollstuhl. «Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird der Rollstuhl nicht mindestens ein Jahr benötigt», heisst es in der Begründung.
Ausserdem schreibt die IV: «Leider wird nur erwähnt, dass der Elektro-Rollstuhl zum Verlassen des Hauses und zur Teilnahme an Peer-Group-Aktivitäten genutzt wird. Ein möglicher Schulbesuch wird nicht angesprochen.»
Die Mutter kann das nicht fassen: «Wenn sie den Rollstuhl hat, hätte sie überhaupt mal die Chance, dass sie stundenweise vielleicht doch in die Schule kann. Wenn irgendwann mal Therapien, Medikamente und so weiter ein bisschen anschlagen. Aber ohne Rollstuhl wird sie das nie können.»
IV sagt nach 14-seitigem Arztbericht doch Ja
Die IV Zürich begründet den Entscheid gegenüber dem SRF-«Kassensturz»: «Eine ausführliche Anamnese fehlte im Arztbericht. Deshalb musste das Gesuch zuerst abgelehnt werden, da die Leistungspflicht für nur kurzzeitig benötigte Hilfsmittel bei der Krankenversicherung ist.»
Mithilfe der Behindertenorganisation Procap reicht die Mutter einen Rekurs ein. Darin enthalten: Ein 14-seitiger Arztbericht. Dieser begründet detailliert, warum Amira einen Elektro-Rollstuhl über ein Jahr hinaus benötigt.
Dank dieses Berichts bewilligt die IV am Ende den Rollstuhl doch. Bis dieser aber da ist, dürfte es noch eine Weile dauern. Denn der Elektro-Rollstuhl muss zuerst noch bestellt werden.
*Name geändert