Mann steht nach Überfall auf Geldkuriere vor Waadtländer Gericht
Ein mutmasslicher Mittäter des Raubüberfalls auf einen Geldtransporter im Kanton Waadt 2018 muss sich seit Dienstag vor Gericht verantworten. Die Bande flüchtete mit einer Beute von bis zu 25 Millionen Franken, nachdem sie mehrere Fahrzeuge in Brand gesetzt hatte.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Prozess gegen den 44-jährigen Algerier vor dem Bezirksgericht Lausanne ist der erste gegen einen mutmasslichen Beteiligten der Überfälle auf Geldtransporter im Waadtland zwischen 2017 und 2019, die immer nach ähnlichem Muster verliefen.
Der in Orbe inhaftierte Angeklagte wurde bei seiner Ankunft am Justizpalast Montbenon von mehreren vermummten und bewaffneten Polizisten begleitet. Vor Gericht sagte er aus, dass er beim Überfall auf den Geldtransporter in der Industriezone von Le-Mont-sur-Lausanne in der Nacht vom 19. auf den 20. Juni 2019 nur eine geringe Rolle gespielt habe.
Der Mann, der in der Vergangenheit in Frankreich bereits wegen eines anderen Raubüberfalls zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden war, erklärte, er sei von «einem Bekannten» als Fahrer und zur Herstellung von Piratenschlüsseln angeworben worden. Mit diesen Schlüsseln sollten dann die Fahrzeuge gestohlen werden, um die Kuriere zu blockieren. Seine Anwerbung sei in letzter Minute erfolgt, nachdem eine andere Person abgesprungen war.
Abgesehen von diesem «Bekannten» kenne er die anderen Mitglieder der Bande mit Ursprung in der Region Lyon nicht. «Ich war nur ein Ersatzteil», wiederholte er. Er behauptete, weder an der Organisation des Überfalls noch an dem Überfall selbst beteiligt gewesen zu sein. «Ich sass in einem Fahrzeug und habe nicht viel gesehen», beteuerte er.
Die Täter hatten die Geldtransporter blockiert, indem sie ihre Fahrzeuge mit gestohlenen Kleinbussen rammten. Anschliessend überwältigten sie die Kuriere und bedrohten sie mit Sturmgewehren. Bevor sie mit der Beute flüchteten, setzten sie verschiedene Fahrzeuge in Brand. Der Tatort bot ein Bild der Verwüstung.
Der Angeklagte war beim Überfall durch einen Flammenrückschlag schwer verletzt worden. Er flüchtete zunächst in die Wohnung eines Komplizen in Epalinges, bevor er sich nach Frankreich absetzte und schliesslich nach Spanien zurückkehrte. Seine Reise endete in der Abteilung für Brandverletzungen im Spital von Alicante, wo ihn Ermittler etwa zehn Tage später festnahmen.
Die Polizei konnte ihn insbesondere dank DNA-Spuren und abgehörter Telefongespräche ausfindig machen, wie der zuständige Staatsanwalt Christian Buffat der Nachrichtenagentur Keystone-SDA auf Anfrage sagte.
Weitere Beteiligte am Überfall in Le Mont und Hintermänner wurden im November 2020 bei einer Razzia der Polizei in der Region Lyon festgenommen. Einige der Täter, laut Staatsanwaltschaft drei bis fünf Personen, laufen jedoch weiter frei herum.
Im Gegensatz zu dem Mann, der in Lausanne vor Gericht gestellt wurde, werden die anderen Festgenommenen vor französische Gerichte gestellt. Der Verlauf der Ermittlungen und die Tatsache, dass Frankreich seine Staatsangehörigen nicht ausliefert, ist der Grund, warum sich nur ein Angeklagter in der Schweiz vor Gericht verantworten muss.
«Im Fall des Algeriers, der in der Schweiz handelte und in Spanien verhaftet wurde, gab es keinen Grund, dass er in Frankreich vor Gericht gestellt wird», erklärte Staatsanwalt Buffat.
Zwischen den Jahren 2017 und 2019 gab es im Kanton Waadt eine beispiellose Serie von Angriffen auf Geldtransporte. 2017 in Nyon, im Februar 2018 in Chavornay, im April und im Juni 2018 in Le Mont-sur-Lausanne, im August 2019 in La Sarraz und im Dezember 2019 in Daillens.
Seitdem wurden mehrere Personen festgenommen. Sechs Personen hätten bereits im vergangenen November in Lyon im Zusammenhang mit dem Angriff in Nyon vor Gericht erscheinen sollen. Der Prozess wurde jedoch aufgrund der Corona-Pandemie auf Juni 2022 verschoben.
Seit der Staatsrat Ende 2019 einen Dringlichkeitsbeschluss erlassen hatte, gab es keine Angriffe auf Geldtransporter auf Waadtländer Boden mehr. Nach dem neuen Waadtländer Gesetz, das nun in Kraft ist, müssen grössere Geldbeträge mit schweren Fahrzeugen (über 3,5 Tonnen) transportiert werden, die gepanzert und mit einer Vorrichtung ausgestattet sind, die den Inhalt im Falle eines Überfalls wertlos macht.
Ausserdem darf der Transport nur noch zwischen 05.00 und 22.00 Uhr erfolgen und der Wert der transportierten Banknoten ist auf 12 Millionen Franken begrenzt. Das Gesetz verlangt ferner mindestens zwei Teammitglieder pro Fahrzeug, einschliesslich des Fahrers.