Mega-Ansturm auf Berner 4,5-Zimmer-Wohnung – «alle Formulare weg»
Eine 4,5-Zimmer-Wohnung in Bern sorgt beim Besichtigungstermin für riesigen Andrang. Aktuell sind in Bern nur 266 Wohnungen frei. Noch schlimmer ist es in Zürich.
Das Wichtigste in Kürze
- Bei einer Wohnungsbesichtigung bekommen zwei Berner kein Bewerbungsformular mehr.
- Schon nach Minuten sind alle 25 weg – der Ansturm ist riesig.
- Auch in anderen Städten ist die Lage prekär. In Zürich gibts nicht selten Mega-Schlangen.
- Dass es in anderen Städten nicht dazu kommt, hat Gründe. Vieles geht unter der Hand weg.
Aus Zürich kennt man die Bilder: Wird eine Wohnung ausgeschrieben, kann es bei den Besichtigungsterminen zu Mega-Schlangen kommen.
Dass es mittlerweile aber auch in anderen Städten zu Anstürmen kommt, erlebten nun Urs T.* und seine Freundin Michaela I.* im Berner Ostring-Quartier.
Das Paar interessiert sich für eine 4,5-Zimmer-Wohnung, unweit der Autobahn-Ausfahrt Bern-Ostring. Inklusive Nebenkosten sind die 128 Quadratmeter Wohnfläche für 2647 Franken pro Monat ausgeschrieben.
Nach wenigen Minuten sind alle Bewerbungsformulare schon weg
«Uns war bewusst, dass es ein interessantes Objekt ist und wir wohl nicht die Einzigen sein werden. Allerdings ist die Wohnung auch schon über 20-jährig und liegt nicht mitten in der Stadt. An den Bahnhof hat man mit ÖV 20 Minuten.»
Urs und seine Freundin kommen nur ein paar Minuten nach Besichtigungsbeginn zur Wohnung. «Die aktuelle Bewohnerin sagte zu uns: ‹Ich kann euch schon sagen, Bewerbungsformulare gibts nicht mehr. Ich habe sicher 25 Stück ausgedruckt, alle sind schon weg.›»
Nach fünf Minuten gehen Urs und seine Freundin wieder. «Einen solchen Ansturm hätten wir nie erwartet. Da haben wir doch eh keine Chance ...»
Je mehr Zimmer, desto knapper
Die Wohnung ist mittlerweile nicht mehr ausgeschrieben. Die zuständige Verwaltung will bei Nau.ch keine Einschätzung abgeben, warum es zu einem solchen Ansturm kam. Dafür Sabina Meier, Geschäftsleiterin vom Mieterverband Bern.
«Im Stadtteil, wo die Wohnung steht, sind sehr wenige 4,5-Zimmer-Wohnungen verfügbar. (Anmerkung der Redaktion: siehe Grafik in der Bildstrecke). Und die Miete der ausgeschriebenen Wohnung inklusive Nebenkosten ist unterdurchschnittlich, was das hohe Interesse erklärt.»
Der Wohnraum werde auch in Bern immer knapper. Die Leerwohnungsziffer ist dieses Jahr erneut gesunken, beträgt in der Hauptstadt noch 0,44 Prozent.
Konkret heisst das: «Am Stichtag der Zählung standen in Bern 266 Wohnungen frei. Das gilt per Definition als Wohnungsnot», so Meier.
Darum gibt es in anderen Städten keine Zürich-Schlangen
Und wenn es nicht zu «sichtbaren Schlangen» komme, heisse das nicht, dass es keinen Ansturm gebe. Begehrte Objekte würden in Bern häufig nicht einfach zur Besichtigung ausgeschrieben. Es werden konkrete Termine vereinbart, «viele Interessenten werden schon vorher abgewiesen».
In der Stadt Zürich stehen gar nur noch 0,07 Prozent der Wohnungen frei. Das Problem habe sich in den letzten zwei Jahren schweizweit «verschärft», sagt Michael Töngi, Vizepräsident vom Mieterverband Schweiz.
Das zeige sich auch daran, dass nicht alle Leute, die in der Stadt arbeiten, auch dort wohnen können. Es gebe 530'000 Arbeitsstellen und 447'000 Einwohner. «Viele Personen müssen pendeln, obwohl sie das nicht möchten.»
Die Leute wagen gar nicht mehr, auszuziehen
Zürich-Schlangen kennt man auch in Luzern nicht, sagt Daniel Gähwiler. Das habe aber seine Gründe. Freie Wohnungen würden wie in Bern oft nicht mehr öffentlich inseriert und gingen häufig unter der Hand weg.
Das sei «problematisch». Luzerner würden ihre Wohnungen oft nicht mehr aufgeben. «Da sich eine immer grössere Anzahl Personen einen Umzug in eine gleich grosse Wohnung nicht mehr leisten kann.»
Auch in Basel gibt es zwar auch nur «vereinzelt» sichtbare Zürich-Schlangen, so Beat Leuthardt vom Mieterverband. Der Bewerbungsprozess kann aber ebenfalls mühsam sein. «Wir haben Rückmeldungen in der Art: ‹Ich habe jetzt Dutzende Wohnungen angeschaut, habe aber keine davon bekommen.›»
Dass Wohnungsnot nicht nur dort herrscht, wo die ganz grossen Städte sind, zeigt das Beispiel Graubünden. «Szenen wie jene in Bern gibt es auch bei uns – sogar noch extremer», sagt Joshua Wada. Er ist Präsident des MV Graubünden.
Prekär sei die Lage in Tourismusorten, etwa in Davos. «Es kommt vor, dass wenn eine Wohnung frei wird, sich innert Stunden 50 Interessenten darauf bewerben.»