Migros: Zürcher Kundin kritisiert Container-Hürdenlauf – «blockiert»
Eine Zürcherin ärgert sich über rumstehende Container bei der Migros. Dahinter sieht sie ein grösseres gesellschaftliches Problem.
Das Wichtigste in Kürze
- Eine Zürcher Kundin ärgert sich über blockierte Container in der Migros.
- Die Migros betont ihre Bemühungen um freie Gänge.
- Trotzdem: Die Kundin stellt das in Zusammenhang mit einer zunehmenden Rücksichtlosigkeit.
Die Filiale der Migros am Zürcher Bahnhof Enge wird zum Hürdenlauf!
«Liebe Migros, obwohl dieser Container leer ist und ein Migros-Mitarbeiter bereits den nächsten auspackt, bleibt der leere einfach stehen. Und blockiert den Durchgang», ärgert sich die Zürcherin Irène Kostenas auf X.
Offenbar kein Einzelfall: «Oft stehen sogar mehrere leere Container gleichzeitig im Weg», berichtet sie. «Soll diese neue Normalität Kunden zu Hürdenspringern machen?»
Und damit nicht genug: Kostenas hat angeblich auch schon beobachtet, wie Migros-Mitarbeiter «zu dritt mit Containern ältere Menschen aus dem Weg schubsen».
Migros: «Achten darauf, dass Gänge freibleiben»
Auf Anfrage von Nau.ch meldet sich Annabel Ott, Sprecherin der Genossenschaft Migros Zürich. Sie verweist darauf, dass die Regale regelmässig aufgefüllt werden müssen.
«Dabei wird natürlich darauf geachtet, dass die Gänge frei bleiben und die Regale für die Kundschaft zugänglich sind.»
Ott räumt ein: «Es kann jedoch immer vorkommen, dass Mitarbeitende, die Regale einräumen, die Kundschaft unterstützen und beraten oder anderweitig einspringen müssen. So kann es vorkommen, dass eine Kiste nicht gleich weggeräumt wird.»
Und sie ergänzt vielsagend: «Bitte beachten Sie im Fall der Filiale Enge auch, dass die Platzverhältnisse im Supermarkt tatsächlich dem Namen des Quartiers entsprechen.»
Zur Schubs-Beobachtung sagt Ott: «Da uns die unten erwähnten Vorwürfe nicht bekannt sind, können wir diese auch nicht kommentieren.»
Generell appelliert die Migros, Beanstandungen jeweils direkt bei den Mitarbeitenden, der Filialleitung oder im Kundenforum zu platzieren. «So können wir zeitgerecht reagieren.»
Supermärkte im Auffüll-Dilemma
Pro Senectute kann zwar nicht bestätigen, dass prinzipiell zu wenig Rücksicht auf ältere Menschen im Supermarkt genommen wird.
Sprecher Peter Burri Follath verweist gegenüber Nau.ch aber darauf, dass hochaltrige Menschen oft nicht mehr sicher zu Fuss seien. Und da seien herumstehende Container durchaus ein Problem.
«Hindernisse, enge Durchgänge oder Kisten, die im Weg stehen, sind hier problematisch», sagt er. «Solche Barrieren beeinträchtigen jedoch nicht nur Seniorinnen und Senioren, sondern auch andere Personen.»
Für die Supermärkte sei aber auch Verständnis angebracht.
«Sie haben grundsätzlich ein grosses Interesse daran, ihren Kundinnen und Kunden jeden Alters ein angenehmes Einkaufserlebnis zu bieten. Gleichzeitig müssen sie jedoch sicherstellen, dass die Regale stets gut gefüllt sind. Ein Anspruch, der von uns als Kundschaft erwartet wird.»
«Höflichkeit nimmt ab»
Die Zürcherin Irène Kostenas, die die Situation beobachtet hat, erklärt gegenüber Nau.ch, dass sie dahinter eine gesellschaftliche Entwicklung vermutet.
Sie betont: «Viele Mitarbeitende der Migros leisten einen hervorragenden Job. Allerdings fällt auf, dass Anstand, Höflichkeit, Rücksicht und Empathie und damit serviceorientiertes Handeln in der Gesellschaft insgesamt abgenommen haben.»
Auch viele Kundinnen und Kunden verhalten sich zunehmend unhöflich, beobachtet sie.
Insbesondere die Corona-Pandemie habe zu einem gewissen Wandel in den Umgangsformen beigetragen, vermutet die Zürcherin.
Ein Beispiel liefert sie dafür auch aus ihrem Berufsalltag, dem Personalwesen (HR). «Heute erhalten nur 50 Prozent der Bewerber überhaupt eine Antwort. Zudem vergreift man sich im Mail-Verkehr zunehmend im Ton.»
Das habe es früher nicht gegeben, sagt Kostenas. «Dabei gehört Höflichkeit doch zu jenen Werten, auf die man in der Schweiz stolz sein kann.»
Nimmt die Empathie seit Corona tatsächlich ab? Verhaltensforscher Christian Fichter sagt zu Nau.ch: «Wissenschaftlich ist das völlig unhaltbar.»
Dass ein Einzelereignis herausgepickt und verallgemeinert wird, sei problematisch.
«Psychologisch betrachtet verstärkt ein solches Vorgehen das Gefühl, wir lebten in immer rücksichtsloseren Zeiten. Durch die mediale Zuspitzung und Empörungsmobilisierung verstärkt sie genau jene Wahrnehmung, die sie beklagt.»
Corona führte zu Stress – aber auch zu Solidarität
Der pauschale Verweis auf die Corona-Pandemie als Ursprung allen Übels sei fragwürdig.
«Natürlich hat Corona vieles verändert und Menschen in Stresssituationen gebracht. Aber es gab während dieser Zeit auch zahlreiche Beispiele von Solidarität, Mitgefühl und gegenseitiger Unterstützung.»
Diese Erfahrungen können von Fall zu Fall variieren.
Der Experte mahnt: «Wer sich auf solche Einzelfälle stützt, um einen allgemeinen Werteverfall zu proklamieren, verkennt die Komplexität sozialer Dynamiken.»
Dabei werde übersehen, dass Corona für viele Menschen durchaus auch ein Ansporn und Empathie war. «Und immer noch ist.»