Mitarbeiter betrügen bei Arbeitszeit – fristlos droht
In vielen Firmen stempelt man sich bei Arbeitsbeginn ein – doch einige lassen das gemütlich die Kollegen erledigen und kommen erst eine halbe Stunde später.
Das Wichtigste in Kürze
- In vielen Firmen muss man sich zur Arbeitszeiterfassung einstempeln.
- Meist basiert das auf Vertrauen – für einige eine zu grosse Verlockung.
- Immer wieder schummeln Angestellte. Dabei droht eine fristlose Kündigung.
Viele Firmen kennen das System: Kommt man morgens an, muss man sich als Erstes einstempeln – so wird die Arbeitszeit erfasst. Meist basiert das auf Vertrauensbasis. Für einige ist da die Verlockung gross, zu schummeln.
Das zeigt ein Beispiel aus dem Kanton Bern: Mechaniker Beat Kühni* hat jetzt schon zum wiederholten Mal mit Angestellten Probleme deswegen. «Ein Mitarbeiter kommt regelmässig eine halbe Stunde später zur Arbeit, als er sich einstempelt», erzählt er.
Das Ganze habe System: «Bei uns haben verschiedene Leute Zugang zu den PCs, an denen man sich einstempeln muss. Offenbar lässt er sich von einem Kollegen einstempeln!»
Schummeleien kein Einzelfall
Wie verbreitet Schummeleien bei der Zeiterfassung sind, ist nicht bekannt. Mehrere grosse Arbeitgeber, darunter die Migros, SBB und Nestlé, geben sich auf Anfrage von Nau.ch bedeckt oder sagen, ihnen seien keine solchen Fälle bekannt. Und beim Arbeitgeberverband heisst es, dazu gebe es keine Zahlen.
Um einen Einzelfall handelt es sich jedoch nicht. In derselben Berner Firma gab es schon einmal eine Verwarnung wegen solcher Vergehen, wie Kühni berichtet. Und auch aus anderen Betrieben gelangen immer mal wieder ähnliche Betrügereien in die Öffentlichkeit.
Für Aufsehen sorgte letztes Jahr zum Beispiel ein Fall aus Solothurn: Eine Kaderangestellte des Steueramts wurde 2019 fristlos entlassen, weil sie bei der Zeiterfassung trickste.
Sie soll sich nachträglich früher eingestempelt haben, als sie eigentlich zur Arbeit kam. Zudem wurde ihr vorgeworfen, auf Arbeitszeit einkaufen und zum Coiffeur gegangen zu sein. Gegen die Kündigung ging sie rechtlich vor – und verlor 2023 vor Gericht.
Fristlose Entlassung droht
Auch im Fall von Kühnis Mitarbeiter droht eine fristlose Entlassung, allerdings erst im Wiederholungsfall. «Zuerst wird er verwarnt.»
Das ist noch kulant, wie Arbeitsrechtler Thomas Geiser von der Universität St. Gallen erklärt: «Solche Betrügereien sind sehr grobe Verstösse gegen die Pflichten eines Arbeitnehmers. Sie rechtfertigen sowieso im Wiederholungsfall eine fristlose Entlassung.» In der Regel dürfte das auch ohne Verwarnung möglich sein.
Das Ganze kann sogar noch schwerwiegendere Konsequenzen haben, zeigt ein anderes Beispiel: Eine Angestellte der Stadt Liestal erfasste ihren Arbeitsweg über elf Monate als Arbeitszeit. Die 47-Jährige wurde 2021 deshalb gar wegen mehrfachen Betruges verurteilt.
Raucherpause ohne Ausstempeln nicht zwingend ein Vergehen
Es ist schnell passiert – auch ehrlichen Mitarbeitenden: Einmal geht das Ausstempeln für die Raucherpause vergessen oder man muss den Stempel vom Morgen korrigieren. Wer sich jetzt Sorgen macht, dass das schon üble Konsequenzen hat, kann sich entspannen.
Arbeitsrechtler Geiser erklärt, man müsse jeden Fall einzeln prüfen. «Jemand anderen ein- und ausstempeln zu lassen, um mehr Stunden auszuweisen, ist sicher ein sehr schwerer Fall. Rauchpausen nicht richtig zu erfassen, dürfte wohl sehr viel weniger Bedeutung haben.»
Schliesslich könne man sich auch beim Rauchen über Berufliches unterhalten. «Dann ist dies sehr wohl Arbeitszeit, die als solche erfasst werden darf.»
* Name von der Redaktion geändert.