Nestlé steht wegen gezuckerter Babynahrung in der Kritik

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Vevey,

Die NGO Public Eye hat den weltgrössten Nahrungsmittelkonzern Nestlé wegen des Zuckerzusatzes in seinen Babynahrungsprodukten kritisiert.

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Nestlé ist eines der drei Schweizer Unternehmen, die zu den 100 teuersten der Welt gehören. (Archivbild) - keystone

Der weltgrösste Nahrungsmittelkonzern Nestlé ist wegen Zuckerzusatz in seinen Babynahrungsprodukten ins Visier der NGO Public Eye geraten. Besonders brisant: Während die hiesigen Getreidebreie und Folgemilchprodukte ohne Zuckerzusatz auskommen, versetzt Nestlé diese Produkte in Drittwelt- und Schwellenländern mit Zucker.

Laut der gemeinsamen Untersuchung von Public Eye und dem International Baby Food Action Network (Ibfan) beinhalten manche Produkte der bekannten Nestlé-Marken Cerelac und Nido pro Portion eine übermässig hohe Menge an Zucker. Weil in vielen Ländern nur der Gesamtzuckergehalt von Produkten angegeben werden muss – wozu zum Beispiel auch natürlich vorkommender Frucht- oder Milchzucker gehört –, liessen die beiden Organisationen die Nestlé-Produkte in einem belgischen Labor untersuchen. Dort wurde ermittelt, wie hoch der Anteil des sogenannten «versteckten Zuckers», also von Zuckerzusatz, in bekannten Babynahrungsprodukten von Nestlé ist.

Unterschiede zwischen den Märkten

Ein Vergleich des gleichen Cerelac-Produkts in verschiedenen Ländern zeigte markante Unterschiede zwischen den Märkten. Während die Babynahrung in Ländern wie Deutschland und Grossbritannien ohne Zuckerzusatz auskommt, enthält sie in Ländern wie Bangladesch, Indien, Pakistan, Südafrika, Äthiopien und Thailand zwischen 1,6 und 6,0 Gramm Zucker pro Portion. Zum Vergleich: Ein Stück Würfelzucker wiegt in der Schweiz etwa vier Gramm.

Zudem stellten die NGOs fest, dass fast allen Cerelac-Babycerealien in Nestlés grössten Absatzmärkten Zucker zugesetzt wird. So hätten 108 von 115 untersuchten Produkten Zuckerzusatz enthalten. Die Marke gehört laut Public Eye mit einem Umsatz von rund einer Milliarde Franken zu den Spitzenreitern unter den Babycerealien.

Dass diese fast immer Zucker enthielten, sei äusserst gefährlich. So zitiert Public Eye einen Experten für Ernährungswissenschaft. Denn die Kinder würden sich an den süssen Geschmack gewöhnen, was die Gefahr von ernährungsbedingten Störungen wie Fettleibigkeit oder chronischen Krankheiten wie Diabetes begünstige.

Zuckerzusatz auch in Folgemilch

Doch nicht nur bei den Baby-Cerealien, sondern auch bei der Folgemilch komme häufig Zucker zum Einsatz. Von 29 untersuchten Produkten der Marke Nido enthielten 21 Zuckerzusatz. Das Labor bestimmte von zehn dieser Produkte den Zuckerzusatz, wobei die Menge von 0,0 bis 5,3 Gramm pro Portion reichte.

Auf Anfrage gibt das Unternehmen zu Protokoll, man halte sich an die Vorgaben der WHO. «Babynahrung ist eine stark regulierte Produktgruppe. Überall, wo wir tätig sind, entspricht unser Portfolio entweder lokalen Vorschriften oder internationalen Standards, einschliesslich der Schwellenwerte für den Kohlenhydratgehalt, der Zucker umfasst», so ein Sprecher gegenüber der Nachrichtenagentur AWP.

Zudem erklärt das Unternehmen, man habe «die Gesamtmenge an zugesetztem Zucker im Portfolio für Säuglingsmüsli in den letzten zehn Jahren weltweit um elf Prozent reduziert». Zudem würden die Getreideprodukte für Säuglinge weiterentwickelt und reformuliert, «um den Gehalt an zugesetzten Zuckern weiter zu reduzieren». Weiter erklärte der Sprecher, dass es in «manchen Ländern in Europa Produkte ohne Zuckerzusatz gibt, zusätzlich zu den herkömmlichen Produkten mit Zuckerzusatz».

Antrag der britischen Shareaction

Es dürfte kein Zufall sein, dass die Kritik von Public Eye gerade jetzt kommt. Am (morgigen) Donnerstag findet nämlich die Generalversammlung von Nestlé statt. Auf der Traktandenliste steht auch ein Antrag der britischen Aktionärsorganisation Shareaction. Sie fordert, dass Nestlé seinen Umsatzanteil mit gesünderen Produkten erhöht.

Die NGO will mit ihrem Antrag erreichen, dass Nestlé Leistungsindikatoren (KPIs) veröffentlicht, die absolute und anteilige Verkaufszahlen für Lebensmittel und Getränke nach ihrem Gesundheitswert aufführen. Das Unternehmen hält dagegen. Man habe bereits das «ehrgeizige Ziel, den Umsatz der nahrhafteren Produkte bis 2030 um 20 bis 25 Milliarden Franken zu steigern».

Dass Shareaction nicht ein absolutes, sondern ein prozentuales Ziel fordert, würde laut Nestlé dazu führen, dass man «wichtige Teile des Portfolios schwächen» müsste und so «Chancen für Konkurrenten schaffen» würde. Im Vorfeld der GV hat sich auch die Schweizer Aktionärsvereinigung Actares zu Wort gemeldet. «Im Dialog mit Nestlé hat Actares wiederholt die Gesundheit von Nestlé Nahrungsprodukten und das transparente Labeling von Inhaltsstoffe angesprochen», schreibt sie in einem Communiqué vom Mittwoch.

Nachhaltigkeitsbericht 2023 als «ungenügend» angelehnt

Die Antwort von Nestlé sei «nicht immer zufriedenstellend» gewesen. Weshalb man den Antrag von Shareaction unterstütze. Grundsätzlich anerkenne Actares aber, «dass Nestlé viel macht für die Verbesserung von Produkten, die Umweltverträglichkeit von Verpackungen und die Nachhaltigkeit der Lieferkette».

Gleichzeitig würden die Skandale aber nicht abreissen. Darum lehne man den Nachhaltigkeitsbericht 2023 als «ungenügend» ab. Über diesen wird jedoch nur beratend abgestimmt. Heisst: Die Geschäftsleitung könnte zwar von den Aktionären einen Rüffel bekommen, bindende Konsequenzen hat dies aber nicht.

Kommentare

User #1606 (nicht angemeldet)

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