Nestlé füllt in ärmeren Ländern Zucker in Babynahrung
Nestlé setzt Babymilch und Säuglingsnahrung in ärmeren Ländern Zucker zu, in Europa hingegen nicht.
Das Wichtigste in Kürze
- Einmal mehr stehen die Babymilch und Säuglingsnahrung von Nestlé in der Kritik.
- Der Nahrungsmittelmulti setzt in ärmeren Ländern den Produkten offenbar Zucker zu.
- In Europa und der Schweiz hingegen sind dieselben Produkte frei von Zuckerzusatz.
In Europa ist es verpönt, Babymilch und Säuglingsnahrung Zucker zuzusetzen. Der Grund: Wer früh an Süsses gewöhnt wurde, hat ein höheres Risiko, später fettleibig zu werden, an Diabetes zu erkranken oder eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zu bekommen.
In anderen Teilen der Welt hat man weniger Hemmungen vor Zucker. Wie eine Analyse der Nichtregierungsorganisation Public Eye zeigt, weiss der Weltmarktführer Nestlé offenbar diesen Umstand zu nutzen.
Die NGO hat zusammen mit dem «International Baby Food Action Network» den Zuckergehalt in Säuglings- und Kleinkindernahrung von Nestlé untersucht. Die beiden Organisationen trugen Getreidebreie und Babymilch aus zahlreichen Ländern zusammen und liessen sie von einem Labor untersuchen.
In Europa kaum Zucker – in ärmeren Länder Zuckerzusatz
Die Analyse hat gezeigt, dass in der Schweiz, wo Nestlé seinen Hauptsitz hat, die wichtigsten Getreidebreie und Folgemilchprodukte für Babys und Kleinkinder frei von Zuckerzusatz. Das Gleiche gilt für Deutschland, Frankreich und Grossbritannien, Nestlés wichtigste Märkte in Europa.
Hingegen wird in ärmeren Ländern den meisten entsprechenden Nestlé-Produkten Zucker zugesetzt. Oft in hohen Mengen, heisst es im Bericht zur Analyse. Wie Laurent Gaberell, Ernährungsspezialist von Public gegenüber den «Tamedia»-Zeitungen sagt, kennt Nestlé «offenbar zwei Kategorien von Babys» kennt.
Dass die untersuchten Produkte zu einem Nestlé-Programm gehören, das 50 Millionen Kindern bis 2030 zu einem gesünderen Leben verhelfen soll, nennt Gaberell «den Gipfel der Ironie».
Nestlé: Halten uns an Gesetze
Nestlé sieht darin aber kein Problem. In dem Bericht wird erwähnt, dass Nestlé Schweiz auf Anfrage hin gesagt habe, man halte sich bei der Säuglingsnahrung nicht nur an alle Gesetze, sondern auch an die Empfehlungen der WHO.
Der Nahrungsmittelmulti erwähnte ausserdem, dass bei Nido-Milchprodukten für Kleinkinder der gesamte zugesetzte Zucker «weltweit aus den Rezepturen» gestrichen werde. «Allerdings nur in Form von Saccharose und Glukosesirup. Von Honig schreibt Nestlé nichts», schreiben die «Tamedia»-Zeitungen.
Babynahrung sorgte schon einmal für Boykott von Nestlé
Mit Babynahrung hatte Nestlé schon vor einem halben Jahrhundert für viel Kritik gesorgt. In den 1970er-Jahren hiess es: «Nestlé tötet Babys." Hilfswerke warfen dem Schweizer Konzern vor, Mütter in Entwicklungsländern mit aggressiver Werbung dazu zu verführen, ihren Kindern statt der Brust die Flasche zu geben. Damit würde der Nahrungsmittelmulti den Tod von Säuglingen durch verschmutztes Wasser in Kauf nehmen, hiess es damals.
Es folgte ein internationaler Boykott von Nestlé-Produkten. Die Weltgesundheitsorganisation WHO verfasste ausserdem einen Verhaltenskodex, der die Vermarktung von Babynahrung stark einschränkte. Nestlé gelobte Besserung.