«Reine Willkür»: Die Kirchenausnahme stösst auf Unverständnis
Dass Gottesdienste weiterhin stattfinden dürfen, findet der atheistische Verein der Freidenker unsinnig. Tatsächlich ist die Infektionsgefahr in Kirchen gross.
Das Wichtigste in Kürze
- Religiöse Veranstaltungen bilden eine Ausnahme in den neuen Massnahmen des Bundesrats.
- Für die weltliche Vereinigung der Freidenker ist das «reine Willkür».
- Erste Forschungsergebnisse zeigen zudem, dass Kirchen eine Infektionsgefahr darstellen.
Religiöse Feiern bilden eine der Ausnahmen im Veranstaltungsverbot des Bundesrats. Die andere Ausnahme sind politische Versammlungen. Eigentlich klar, denn die Wintersession des Parlaments soll um keinen Preis unterbrochen werden, so das Ziel der Behörden. Wichtige Gesetze müssen entschieden werden, zum Beispiel das Covid-19 Gesetz und das Solidarbürgschaftsgesetz.
Aber wieso werden der parlamentarischen Session religiöse Feiern wie Gottesdienste gleichgesetzt? Genau diese Frage stellt sich auch die Freidenker-Vereinigung der Schweiz in einer Mitteilung. Der säkulare (lies: atheistisch-agnostischer) Verein fordert, dass die Kirchen genauso in die Pflicht genommen werden wie die Gastronomie oder Kultur.
Ausnahmeregel «rein willkürlich»
Andreas Kyriacou, Präsident der Freidenker, findet es rein willkürlich, dass Veranstaltungen stattfinden dürften, wenn sie als religiös deklariert würden. So zum Beispiel «ein Konzert oder ein Treffen Gleichgesinnter». «Der Bundesrat muss alle gesellschaftlichen Akteure gleichermassen in die Pflicht nehmen, eben auch die Religionsgemeinschaften», fügt er hinzu.
Die Freidenker untermauern ihre Argumentation mit dem Hinweis, dass Gottesdienste schon mehrfach «zum Hort für Corona-Ansteckungen wurden».
Man erinnert sich dabei vor allem an einem Vorfall ganz zu Beginn der Krise; im Elsass steckten sich eine Vielzahl an Freikirchenmitglieder bei einem mehrtägigen Gottesdienst an. Ein Baselbieter Besucher starb 54-jährig wenige Wochen später an den Folgen von Covid.
Für die Freidenker könnten die Kirchen – wie Kulturveranstalter auch –ihre Aktivitäten in die virtuelle Welt verlegen.
Kirchen wollen noch mehr Freiheiten – trotz Gefahr
Die Kirchen wollen jedoch an ihren Freiheiten festhalten und sie zum Teil noch stärker ausweiten. Ein Brief der drei Landeskirchen, an den Bundesrat adressiert, weibelte für das Aufheben des Singverbots an Gottesdiensten. «Mindestens im Aussenbereich und natürlich mit Maske, wenn nicht auch im Innenbereich mit entsprechendem Abstand», begründet die Schweizerische Bischofskonferenz die Idee gegenüber SRF News.
Zudem wollen die drei Landeskirchen die Personenobergrenze von fünfzig in grossen Kirchen aufgehoben sehen.
Dabei ist die Infektionsgefahr in religiösen Räumen nicht weniger hoch als in anderen Öffentlichkeitsbereichen. Gemäss einer Forschungsgruppe der Stanford Universität stellen neben Gastrobetrieben, Hotels und Fitnesszentren auch religiöse Organisationen eine erhebliche Gefahr dar.
Mittels Mobilitätsdaten der städtischen Bevölkerung in den USA kamen die Forschenden zum Schluss, dass auch religiöse Einrichtungen «den grössten prognostizierten Anstieg der Infektionen bei Wiedereröffnung» darstellten.