«Überrannt»: Solothurnerin sagt, warum sie aus Tessin wegzieht
Ruth (67) hat genug vom Tessin. Seit 2006 besass sie eine Wohnung in Orselina. 2022 hat sie diese nun verkauft. Einer der Gründe: Zu viele Touristen.
Das Wichtigste in Kürze
- Eine Rentnerin hat ihre Wohnung im Tessin nach über 15 Jahren verkauft.
- Gründe seien die teuren Nebenkosten und der Anstieg von Touristen im Tessin.
Das Tessin gilt als die Sonnenstube der Schweiz. Besonders über die Feiertage fahren Herr und Frau Schweizer gerne in den Süden. An Ostern müssen die Reisenden schon mal mit kilometerlangen Staus und Wartezeiten von mehreren Stunden rechnen.
Seit Corona hat sich die Situation noch verschlimmert. Das merkte auch Ruth H.* (67) aus dem Kanton Solothurn. 2022 verkaufte sie ihre Zweitwohnung in Orselina TI nach 16 Jahren.
Die ganzen Nebenkosten wie Steuern, Strom oder Wasser seien eigentlich schon immer an der oberen Grenze gewesen, so Ruth zu Nau.ch. «Vor der Pensionierung hatte ich die Wohnung ja noch vermietet, da hat es sich besser gerechnet. Aber danach wollte ich frei sein und gehen und kommen, wie und wann ich wollte.»
Während der Pandemie wurde das Tessin dann «völlig überrannt». Ruth: «Früher waren die Staus am Gotthard oder der übermässige Andrang in den Beizen hauptsächlich an Feiertagen oder in den Ferien.» Zwar sei sie als Rentnerin privilegiert und müsse nicht in den Schulferien oder an Ostern fahren. Die Staus waren von April bis November aber «eigentlich permanent».
Rentnerin gefrustet: Überall anstehen
Im Tessin angekommen, ging der Frust weiter: Die Lokale in Ascona und der Region seien so überfüllt gewesen, dass man anstehen musste.
Die 67-Jährige fasst einen Entschluss: «Ich habe überlegt, dass ich für die immens hohen Nebenkosten auch locker mal in ein Hotel oder eine Ferienwohnung gehen kann. Zudem gibt es ja auch noch andere Destinationen als das Tessin und ich freue mich darauf, neue Welten zu entdecken.»
Der Wohnungsverkauf war, laut Ruth, quasi ein Selbstläufer, obwohl sie es nicht eilig hatte. Kaum hatte sich die 67-Jährige unverbindlich für eine Wertschätzung interessiert, war die Wohnung weg. Mit dem Verkauf konnte sie 75 Prozent Gewinn machen.
Dass es immer mehr Menschen in den sonnigen Kanton verschlägt, bestätigt auch Jurij Meile von «Ticino Turismo»: «Mit der Pandemie kam nach dem Totaleinbruch 2020 für das Tessin das Rekordjahr 2021. Die ganze Schweiz reiste ins Tessin und im Endeffekt kamen auch Gäste ins Tessin, die dieses früher nicht besucht hatten. Es wurde von vielen einfach neu entdeckt», so Meile.
Offensichtlich sei es dem Tessin gelungen, diese Gäste «zu binden». «Wir sehen, dass viele auch jetzt wieder kommen, nachdem sie 2021 hier waren», so Meile. Das spreche für das Tessin, bedeutet aber natürlich mehr Touristen – auch über das ganze Jahr und an Wochenenden.
In Deutschschweiz besser vernetzt als im Tessin
Kehren deshalb immer mehr Pensionierte dem Tessin den Rücken? Pro Senectute liegen zumindest keine Daten vor, die dies so bestätigen würden. Es gäbe aber sicher Fälle, wo dies vorkommen würde, sagt Sprecher Peter Burri Follath auf Anfrage.
Ein Grund dafür könnte sein, dass man in der Deutschschweiz besser vernetzt wäre. Sei es wegen des öffentlichen Verkehrs oder dem sozialen Umfeld, so Burri Follath. Auch würden es einige vorziehen, die letzte Phase des Lebens dort zu verbringen, wo ihre Angehörige lebten.