Ukraine Krieg: «Flüchtlinge wollen alles von Erspartem bezahlen»
Marco D.* hat vor vier Wochen durch den Ukraine-Krieg fünf Flüchtlinge bei sich aufgenommen. Der 22-Jährige erzählt gegenüber Nau.ch von seinen Erfahrungen.
Das Wichtigste in Kürze
- Über 38'000 ukrainische Flüchtlinge haben sich in der Schweiz registriert.
- Vor einem Monat hat Marco D.* (22) eine fünfköpfige Familie bei sich aufgenommen.
- Mit Nau.ch spricht der Student über seine Erfahrungen.
In der Schweiz haben sich bislang über 38'000 Flüchtlinge aus der Ukraine registriert. Fünf von ihnen haben vor einem Monat bei Marco D.* und seiner Familie Zuflucht gefunden.
Mit Nau.ch spricht der 22-Jährige über seine Erlebnisse.
2018 lernte Marco in Köln (D) Sarah M.* kennen, welche aus Kiew stammt. «Schon bevor der Ukraine-Krieg angefangen hat, haben wir darüber gesprochen, ob sie sich eine Zukunft in der Schweiz vorstellen könnte. Immer wieder habe ich Sarah gesagt, dass ich sie dabei unterstützen kann», erzählt er.
Ukraine-Krieg führt zu intensivem Kontakt
Als Wladimirs Putins Truppen Ende Februar die Ukraine überfallen, intensiviert sich der Kontakt zwischen beiden, sie schreiben sich täglich Nachrichten. Nach einigen Tagen fliehen Sarah und ihre Familie in ein Haus auf dem Land, etwa 60 Kilometer ausserhalb von Kiew.
Mitte März entscheiden sich Marco und seine Familie, die fünf Flüchtlinge bei sich aufzunehmen. Die Ukrainerinnen erhalten den ganzen zweiten Stock ihres Einfamilienhauses in Diessbach BE. Dort haben sie ein Wohnzimmer, Küche und Bad für sich.
Am 21. März treffen die fünf Frauen in Bern ein. «Sie hatten nur ein paar Koffer dabei und wenige Gegenstände, welche ins Auto reinpassten», erinnert sich Marco.
Bereits am nächsten Tag hält die Familie des Studenten fünf Anmeldungen zum Schutzstatus S bereit. Doch: «Sarah und ihre Familie wollten sie nicht ausfüllen. Sie konnten und wollten es nicht wahrhaben, dass sie nicht mehr nach Hause können», erzählt Marco.
Flüchtlinge wollen möglichst für sich selbst aufkommen
Der Alltag änderte sich von da an auch für den Berner. «Ich blieb viel mehr zu Hause und versuchte den Menschen zu helfen, sich hier zurechtzufinden.»
Die fünf Frauen wollen ihren Gastgebern keine Umstände machen. Und schon gar nicht auf der Tasche liegen, erzählt Marco weiter. «Sarah und ihre Familie haben selbst noch Erspartes und versuchen, möglichst alles aus dem eigenen Portemonnaie zu bezahlen. Sie holen sich auch Unterstützung beim Kanton in Form von Essensgutscheinen oder dergleichen.»
Vom Kanton hat Marcos Familie für die Unterbringung noch keine finanzielle Unterstützung erhalten. Sollten die Flüchtlinge drei Monate bei ihnen wohnen, hat die Familie im Monat rückwirkend Anspruch auf 195 Franken pro Person.
Ukraine-Krieg kein heikles Thema mehr
Anfangs vermied die Familie von Marco, über den Ukraine-Krieg zu sprechen. «Mittlerweile reden wir aber immer öfter darüber, da auch sie das Thema von sich aus immer wieder aufgreifen.» Oft seien die Gespräche voller Ironie, und es werde viel gelacht.
«Indem die Menschen da sind, ist es zwar zum einen realer, was passiert. Aber ich bin auch glücklich, dass wir eine Familie unterstützen können und Sarah in Sicherheit ist.»
Marco hat Sarah auch schon in der Stadt Bern herumgeführt und nahm sie mit auf Friedensdemonstrationen. «Als Nächstes wollen wir gemeinsam in den Alpen wandern gehen.»
Die zwei jüngsten Geschwister von Sarah seien jetzt bei einer Gastfamilie in Zürich. Dort könnten sie eine Partnerschule besuchen, welche mit Kiew in Kontakt sei.
Der Rest der Familie hofft, bald wieder in die Heimat zurückkehren zu können. Marco: «Bis Mitte Mai werden sie sich noch gedulden und erst dann überlegen, ob eine Rückkehr schon Sinn ergibt. Den Schutzstatus S haben mittlerweile aber alle unterzeichnet.»
*Namen der Redaktion bekannt