In der Schweiz dürfen urteilsunfähige Personen ohne ihre Zustimmung sterilisiert werden. Die Kesb vermutet zudem illegale Sterilisationen.
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In der Schweiz wurden in den letzten zehn Jahren 16 urteilsunfähige Personen sterilisiert. - picture alliance / dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • In der Schweiz können urteilsunfähige Personen ohne ihre Zustimmung sterilisiert werden.
  • In den letzten zehn Jahren gab es 16 derartiger Sterilisationen.
  • Behindertenorganisationen und Kesb-Stellen vermuten aber auch illegale Sterilisationen.
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Urteilsunfähige Personen können in der Schweiz ab 16 sterilisiert werden, unter anderem, wenn dies «im Interesse der betroffenen Person» liegt. So lautet eine mehrerer Auflagen des Schweizer Sterilisationsgesetzes. Nach ihren Interessen müssen Betroffene aber nicht gefragt werden.

Und trotzdem werden in der Schweiz urteilsunfähige Personen sterilisiert. In den Kantonen Bern, Zürich, St. Gallen, Luzern, Basel-Land und Graubünden waren es laut «10 vor 10» insgesamt 16 Personen in den letzten zehn Jahren. Von den Kantonen Aargau, Tessin und Wallis liegen der «SRF»-Sendung keine Zahlen vor.

Behindertenorganisationen und Kesb vermuten illegale Sterilisationen

Gemäss Jan Habegger, dem stellvertretenden Geschäftsführer der Behindertenvereinigung Insieme, gibt es allerdings eine Dunkelziffer. Er habe von illegalen Sterilisationen erfahren. Die ihm bekannten Fälle seien zwar vor 30 bis 50 Jahren geschehen, «aber das kommt heute bestimmt noch vor».

Suna Kiracali, Co-Geschäftsleiterin von Avanti Donne, einer Organisation für Frauen und Mädchen mit Behinderung, vertritt diesen Standpunkt ebenfalls. Man müsse davon ausgehen, «dass die Kesb nicht alles mitbekommt». Die Erwachsenenschutzbehörde Kesb muss nach Gesetz einer solchen Sterilisation allerdings einwilligen.

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Suna Kuracali sagt zu illegalen Sterilisationen an urteilsunfähigen Personen: «Wir müssen davon ausgehen, dass die Kesb nicht alles mitbekommt.» - keystone

Auch mehrere Kesb-Präsidentinnen und -Präsidenten halten illegale Sterilisationen für wahrscheinlich. Der Präsident der Kesb Region Gossau in St. Gallen, Andreas Hildebrand, berichtet über einen Vorfall mit einem Arzt, der eine Zustimmung der Kesb einholen wollte. «Wir sollten ihm doch rasch das Formular schicken, damit er die Kreuzchen am richtigen Ort machen könne und die bereits geplante Operation vornehmen kann.»

Nachdem er dem Arzt erklärt habe, dass das nicht so einfach sei, sei dieser erstaunt gewesen. Er habe daraufhin «nichts mehr von sich hören lassen». «Vor diesem Hintergrund fragt man sich schon, wie es weitergegangen ist: an der Kesb vorbei, ohne Bewilligung, vielleicht sogar illegal

Sollte das Schweizer Sterilisationsgesetz überarbeitet werden?

Mit der Sterilisation von urteilsunfähigen Personen muss sich auch Bundesbern beschäftigen. Im Nationalrat ist eine Motion der SP hängig, der die Zustimmung von Betroffenen fordert. Hinzu kommt, dass derartige Sterilisationen nicht mit der UN-Behindertenrechtskonvention vereinbar sind.

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