Verteidigung fordert im Berner Polizisten-Prozess Freispruch
Die Verteidigung forderte die Freisprechung eines Polizisten, der 2021 einen Mann brutal in ein Dienstfahrzeug gestossen haben soll.
![Urteile des Gerichts werden in der Regel mit Spannung erwartet.](https://c.nau.ch/i/RK2aO/900/urteile-des-gerichts-werden-in-der-regel-mit-spannung-erwartet.jpg)
Der Polizist, der im Juni 2021 einen Mann bei einer Anhaltung in Bern unnötig brutal in ein Dienstfahrzeug gestossen haben soll, sei freizusprechen. Das hat die Verteidigung am Dienstag vor dem Berner Obergericht gefordert. Die Staatsanwaltschaft beantragte eine Bestätigung des Schuldspruchs.
Die Aussagen des angeschuldigten Polizisten seien nicht glaubhaft und in den entscheidenden Momenten nicht detailliert, kam die Staatsanwaltschaft zum Schluss.
Dass der angehaltene Mann beim Einsteigen in das Dienstfahrzeug gestolpert sei, sei eine Schutzbehauptung des Polizisten. Der Angehaltene sei vielmehr mit mehr Gewalt als nötig in ein Dienstfahrzeug der Polizei verbracht worden.
Wäre der angehaltene Mann tatsächlich beim Einsteigen gestolpert und gestürzt, hätte sich doch der für ihn verantwortliche Polizist irgendwie um den auf dem Fahrzeugboden liegenden, verletzten Mann gekümmert. Das habe er aber nicht getan.
Medienschaffende berichten als Zeugen von fehlender Hilfe am Bahnhof
Diese fehlende Hilfe hatten auch mehrere Medienschaffende am Dienstagmorgen als Zeugen beschrieben. Sie hatten das Geschehen beim Bahnhof zufällig beobachtet und danach über den Fall berichtet.
Die Journalistinnen und Journalisten hätten detailreiche stimmige Angaben gemacht, kam die Staatsanwaltschaft zum Schluss. Sie seien präzis und vorsichtig formuliert. Alle hätten eine Betroffenheit nach dem Geschehen geschildert. Wenn etwas betroffen mache, heisse das nicht, dass man sich mit dem Opfer solidarisiere.
Genau dies hatte die Verteidigerin jedoch ins Feld geführt. Die Medienschaffenden hätten Partei für den angehaltenen Mann ergriffen und den Polizisten in ihrer Berichterstattung vorverurteilt.
Es gebe zwei Versionen der Tat, eine spektakuläre und dramatische der Medienschaffenden, die eine gewisse Überspitzung von Tatsachen gewohnt seien und eine nüchterne, wenig spektakuläre des Polizisten.
Angeklagter Polizist bezeichnet Einsatz als normal
Der angeklagte Polizist selber betonte vor Gericht, es habe sich um einen ganz normalen, alltäglichen Einsatz gehandelt, das könne gegen Aussen vielleicht schon grob aussehen. Die Aussagen des beschuldigten Polizisten seien logisch und stringent, betonte die Verteidigung.
Ihr Mandant sei erst neun Monate nach dem Vorfall erstmals befragt worden, da könne man ihm keinen Strick daraus drehen, dass er sich nicht mehr an jedes Detail des für ihn absolut gewöhnlichen Einsatzes habe erinnern können. Die Verteidigung verlangte für den Polizisten einen Freispruch.
Der Polizist war in erster Instanz wegen Amtsmissbrauchs und Tätlichkeiten zu einer bedingten Geldstrafe von 90 Tagen zu 110 Franken und einer Busse von 600 Franken verurteilt worden. Er zog das Urteil ans Obergericht weiter.