Viele Schweizer verzichten «aus Scham» auf Sozialhilfe
Mit 2,8 Prozent war die Sozialhilfequote 2023 so tief wie seit 2005 nie mehr. Doch die Arbeitsmarktlage ist lange nicht der einzige Grund dafür.
Das Wichtigste in Kürze
- 2023 erreichte die Sozialhilfequote mit 2,8 Prozent den tiefsten Wert seit 2005.
- In der Schweiz erhielten demnach rund 250'000 Personen mindestens einmal Unterstützung.
- Die gute Arbeitsmarktlage ist aber nicht die einzige Ursache für die guten Werte.
Die Schweizer Sozialhilfequote sank 2023 auf 2,8 Prozent – Tiefstwert seit 2005!
Im Vergleich zu 2022 ging die Quote um 0,1 Prozentpunkte zurück. Etwa 7100 Personen weniger bezogen also Sozialhilfe.
Grund dafür ist einerseits die gute Arbeitsmarktlage. Wie Soziologe Benedikt Hassler gegenüber SRF ausführt, gibt es aber auch noch andere Gründe. Er verweist auf Studien, die zeigen, dass zwischen einem Viertel und einem Drittel der Berechtigten kein Gesuch stellt.
«Gründe dafür sind oft Unwissenheit, Scham oder die Angst vor Stigmatisierung», so Hassler. Bei Ausländerinnen und Ausländern komme zudem die Sorge hinzu, dass der Sozialhilfe-Bezug den Aufenthaltsstatus gefährden könnte.
Dass Menschen aus Angst auf die Sozialhilfe verzichten, kann laut Hassler dramatische Folgen mit sich ziehen.
«Diese Personen leben unter dem sozialen Existenzminimum», betont der Soziologe. Sie müssen sich beim Einkauf von Nahrungsmitteln oder der Freizeitgestaltung einschränken.
Insgesamt erhielten 2023 knapp 250'000 Personen mindestens einmal Unterstützung. Das ist die niedrigste Zahl seit 2011, trotz Bevölkerungswachstum.
Quote liegt in Städten immer noch über dem Durchschnitt
Bei Kindern, Ausländern und Geschiedenen sank die Quote überdurchschnittlich um 0,2 Prozent. In Städten liegt die Sozialhilfequote mit bis zu 4,8 Prozent weiterhin über dem Durchschnitt.
In 18 Kantonen sank die Quote, in fünf blieb sie stabil. In drei Kantonen stieg sie leicht an. Besonders stark war der Rückgang im Kanton Neuenburg mit minus 0,4 Prozent.
Im Asylbereich stieg die Sozialhilfequote von 77,9 auf 84,6 Prozent. Menschen mit kurzer Aufenthaltsdauer beziehen häufiger Sozialhilfe. Flüchtlinge hatten in den ersten Jahren eine Quote von 80,3 Prozent.
Bei Schutzstatus S sank die Quote um 7,2 Prozent auf 81,7 Prozent. Ein Drittel der Beziehenden mit Schutzstatus S sind Kinder, zwei Drittel Frauen.
Langfristig sinkt die Sozialhilfequote bei Asylsuchenden. Nach einem Jahr liegt sie bei 89 Prozent, nach acht Jahren bei 57 Prozent.