Vier Gefängnis-Angestellte wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht
Das Wichtigste in Kürze
- 2018 hat sich eine Asylbewerberin im Untersuchungsgefängnis Waaghof in Basel er
- Vier Aufseher müssen sich heute vor dem Strafgericht Basel verantworten.
- Sie stehen wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen und Aussetzung vor Gericht.
Im Juni 2018 hat sich eine abgewiesene Asylbewerberin im Untersuchungsgefängnis Waaghof in Basel erhängt. Vier Gefängnis-Angestellte müssen sich am heutigen Dienstag vor dem Basler Strafgericht verantworten. Sie sollen nach einem Suizidversuch nicht genügend Hilfe geleistet haben.
Angeklagt sind drei Aufseher und die Aufseherin im Alter zwischen 36 und 50 Jahren. Sie stehen wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen und Aussetzung vor Gericht.
Asylgesuch abgelehnt
Grund für die Anklage der Basler Staatsanwaltschaft ist der Suizid einer abgewiesenen Asylbewerberin aus Sri Lanka im Juni 2018. Die Todesfolge sei vorhersehbar und vermeidbar gewesen, heisst es in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft. Die Beschuldigten hätten elementare Sorgfaltspflichten verletzt, obwohl sie entsprechend ausgebildet worden seien.
Die Frau hatte im Mai 2017 in der Schweiz ein Asylgesuch gestellt. Das Staatssekretariat für Migration SEM lehnte es jedoch drei Monate später ab. Weil das SEM Malta als für das Asylverfahren zuständig erachtete, hätte die Frau im Rahmen des Dublin-Verfahrens dorthin zurückgeschickt werden sollen.
Die Sri Lankerin entzog sich zwischenzeitlich ihrer Rückführung, wurde in Bern jedoch festgenommen und am 11. Juni 2018 aus dem Regionalgefängnis Bern nach Basel gebracht.
Dringend angezeigte Rettungsmassnahmen unterlassen
Der Gemütszustand der 29-Jährigen war gemäss Anklageschrift «nicht einfach». Die abgewiesene Asylbewerberin verhielt sich in der mit Kamera ausgerüsteten Zelle für «Personen mit besonderem Überwachungsbedarf» unruhig. Sie ging rastlos umher, zerriss die Bettdecke, schrie, klingelte mehrmals, schlug gegen die Wand und griff sich «in würgeartiger Manier» an den Hals.
Schliesslich zog die Frau ihr Traineroberteil aus und befestigte es am Zellenfenster und um den Hals. Anschliessend liess sie sich in die Schlinge fallen – und verharrte knapp viereinhalb Minuten bewegungslos in dieser Position.
Rund sechs Minuten dauerte es, bis die Frau von einem Securitas-Mitarbeiter auf dem Monitor entdeckt wurde. Die drei nun angeklagten Aufseher eilten in die Zelle und durchschnitten das Oberteil. Die Frau soll dabei tief geseufzt und geatmet haben. Nachdem einer der Aufseher das Gesicht der Frau mit Wasser benetzt hatte, verliessen die drei Männer die Zelle wieder.
Die drei Mitarbeiter hätten dabei dringend angezeigte Rettungsmassnahmen unterlassen, heisst es in der Anklageschrift. So hätten sie keine Vitalzeichen geprüft, keine medizinische Hilfe geholt und die Frau nicht in eine stabile Lage gebracht. Vielmehr hätten sie die hilflose Insassin untätig in der sichtlich für die Atmung schwer beeinträchtigenden Lage belassen.
Zwei Tage nach Vorfall an Hirnschädigung durch Sauerstoffmangel verstorben
Auch die vierte Angeklagte, die zur Hilfe geholte Kollegin der drei Aufseher, soll gemäss Staatsanwaltschaft zu wenig getan haben. Sie soll der Insassin, die auf dem Bauch mit dem Gesicht nach unten lag, lediglich die Hosen ausgezogen und die Zelle dann wieder verlassen haben.
Zehn Minuten blieb die abgelehnte Asylbewerberin, die nur noch schwer atmen konnte, alleine in der Zelle. Die Mitarbeitenden schauten mehrmals kurz via Sichtöffnung in die Zelle, bevor sie die Sanität alarmierten und die Frau in die Rückenlage drehten. Fünf Minuten nach der Alarmierung startete einer der Aufseher mit ersten Reanimierungs-Massnahmen.
Die Frau wurde danach ins Universitätsspital Basel gebracht, wo sie zwei Tage später an den Spätfolgen «der durch lange andauernden Sauerstoffmangel erlittenen Hirnschädigung» verstarb.
Gemäss der Staatsanwaltschaft dauerte es ab Beginn der Erhängung rund 19 Minuten, bis die Sri Lankerin auf den Rücken gedreht und damit eine Verbesserung der Atmungssituation herbeigeführt wurde. Welche Strafe die Staatsanwaltschaft für die vier Gefängnis-Angestellten beantragt, ist offen. Der Prozess dauert voraussichtlich dreieinhalb Tage.