Stadt Zürich

Wohnungsnot: Jetzt pflanzen Zürcher Eisen-«Baracke» auf Altbau-Dach

Rowena Goebel
Rowena Goebel

Zürich,

Ein modernes Bauprojekt auf einem traditionellen Zürcher Stadthaus sorgt für Kritik – es sehe aus «wie eine Baracke». Doch ohne Anbau hätte der Abriss gedroht.

Zürich
Dieser Neubau auf dem Dach eines traditionellen Zürcher Stadthauses sorgt für optische Kritik. - Nau.ch/Nico Leuthold

Das Wichtigste in Kürze

  • Auf einem traditionellen Zürcher Stadthaus sind moderne Wohnungen gebaut worden.
  • Eine Anwohnerin ärgert sich – sie findet, alte Häuser sollten geschützt werden.
  • Doch: Ohne den modernen Anbau wäre das Haus abgerissen worden.

Die Wohnungsknappheit in der Stadt Zürich erfordert kreative Lösungen. Doch auch die kommen nicht überall gut an.

Das zeigt das Beispiel eines Neubaus in der Nähe der Langstrasse: Dort sind einem traditionellen Gebäude aus dem Jahr 1984 zwei neue Wohnungen aufs Dach gesetzt worden. Aus Eisen – wie ein Lego-Stein!

Unten alt und fein, oben modern und kantig – für Anwohnerin Katherine* (27) ein absolutes No-Go.

«Sieht buchstäblich aus wie eine Baracke»

Die Expat aus Zürich stösst bei der Wohnungssuche auf das Inserat für die beiden neuen Wohnungen und empört sich: «Es sieht buchstäblich aus wie eine Baracke.»

Und das, obwohl die beiden Neubauwohnungen satte 5300 Franken im Monat kosten.

Ein Foto des Neubaus teilt sie im Netz und fragt: «Sollten wir den traditionellen Baustil nicht erhalten? Was ist der Sinn, so zu bauen?»

Dort sorgen die Wohnungen für Wirbel. Mehr als 200 Kommentare und über 120 Likes erhält der Post der Anwohnerin auf der Plattform Reddit.

Die Meinungen sind gespalten. Einige teilen die Kritik, anderen gefällt der Anbau.

Im Quartier rümpft man die Nase. Ein Passant vor Ort sagt zu Nau.ch: «Ich finde es nicht schön – ist nicht gelungen.»

Das moderne Eisenkonstrukt auf dem Dach passe nicht auf das alte Haus, findet er. Aber: «Es ist sicher besser als abreissen – und sicher auch günstiger.»

Altbau hätte sonst Abriss gedroht

Doch die Debatte geht über den Geschmack hinaus. Das betont auch Leo Gruber, dessen Architekturbüro Baukombinat das Projekt realisiert hat.

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In Sichtweite der Sugus-Häuser mussten die Mieter für Baumassnahmen ihre Wohnungen nicht verlassen. - Nau.ch/Nico Leuthold

Er sagt zu Nau.ch: «Eine Aufstockung stellt keine Bedrohung für ältere Gebäude dar. Sondern sie kann im Gegenteil für deren Erhalt sorgen, da sie sonst oft zum Zweck der Verdichtung abgerissen werden.»

Auch im Fall des Neubaus, der nun derart für Wirbel sorgt. «Hier konnte dank des Aufbaus auf den Abriss verzichtet werden.»

Welcher Baustil gefällt dir besser?

Und: «Es konnten alle Mieter des Bestandsgebäudes zum gleichen Mietzins wie vorher in ihren Wohnungen bleiben.»

Das war dank einer Abdichtung möglich, die dafür sorgte, dass das Dach trotz Baustelle dicht blieb, wie Gruber erklärt.

Massenkündigungen wenige Strassen weiter

Dass die Mieterinnen und Mieter bleiben konnten, ist in Zürich in der aktuellen Lage keine Selbstverständlichkeit.

Immer wieder werden alte Wohnungen saniert und später zu deutlich höheren Preisen neu vermietet.

Erst kürzlich sorgte die Massenkündigung in den sogenannten Sugus-Häusern, die in Sichtweite des Neubaus liegen, für Empörung: Die bisherigen Mieter werden rausgeworfen, angeblich, weil eine Sanierung nötig ist.

Bei Nau.ch widersprach ein Bewohner. Der böse Verdacht besteht auch hier, dass es eigentlich um eine Erhöhung der bisher günstigen Mieten geht.

Bau brauchte keine Denkmalschutz-Abklärung

Zurück zum Neubau nahe der Langstrasse.

Kritisch sieht die Anwohnerin vor allem die Tatsache, dass ein traditionelles Gebäude umgebaut wurde. In Bezug auf den Denkmalschutz fragt sie sich gar, «wie das legal» sei.

Dazu sagt Architekt Leo Gruber: «Das Bestandsgebäude steht nicht unter Denkmalschutz. Aufgrund der Bauzone, in der es liegt, war die Denkmalpflege der Stadt Zürich jedoch am Bewilligungsprozess beteiligt.»

Moderne Wohnungen auf alten Stadthäusern – eine gute Lösung?

Die Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege sei «sehr positiv» verlaufen und «nahm nicht mehr Zeit in Anspruch als üblich».

Nora Eichhorn vom Hochbauamt der Stadt Zürich bestätigt gegenüber Nau.ch, dass keine denkmalschützerischen Abklärungen getroffen wurden.

Denn: «Das Gebäude befindet sich weder im Inventar der schützenswerten Bauten, noch steht es unter Schutz.»

Im Planungs- und Baugesetz sei klar geregelt, wann eine Baubewilligung zu erteilen ist. Dies, sofern das Bauvorhaben den gesetzlichen Vorgaben und ausführenden Verfügungen entspricht. «Dies war hier der Fall», erklärt Eichhorn.

* Name geändert.

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Kommentare

User #1540 (nicht angemeldet)

Man fragt sich wieso sie Stadt so einen hässlichen Müll bewilligt.

User #2802 (nicht angemeldet)

Gibts Neuigkeiten von der SP zum Thema Kulturelle Aneignung?

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