Zermatt VS: Pferdekutschen für Ski-Ausrüstung empören Tier-Freunde
Sie gehören zum Ortsbild von Zermatt VS dazu, sorgen aber auch für Kritik. Tierschützer kritisieren die Pferdekutschen. Nun wehren sich die Betreiber.
Das Wichtigste in Kürze
- Statt mit Autos transportieren Pferde Gepäck und Ski-Ausrüstung in Zermatt VS.
- Ein Tourist kritisiert das scharf und spricht von einer «Misshandlung armer Seelen».
- Tierschützer geben ihm recht. Das Hotel, das die Fahrten anbietet, verteidigt sich.
Den Ausblick aufs Matterhorn geniessen, sich tagsüber ins Schneegestöber stürzen und abends ein Fondue schlemmen: Zermatt im Kanton Wallis verspricht Schweizer Romantik pur und lockt jährlich Millionen von Touristen aus aller Welt an.
Pferdekutschen setzen dem autofreien Bergdorf das i-Tüpfelchen auf. Doch nicht bei jedem Gast ruft das romantische Gefühle hervor. Dafür macht sich Frust breit.
Ein britischer Tourist beklagt sich in einer Online-Rezension zum Zermatter Fünf-Sterne-Hotel «Mont Cervin Palace»: «Es ist traurig, dass ein Hotel im Jahr 2024 mehrmals am Tag Pferde einsetzt. Nur, um Touristen, ihr Gepäck und ihre Ski-Ausrüstung durch das ganze Dorf zu transportieren.»
Statt der Pferdekutschen solle das Hotel lieber Geld für einen «schicken Minivan» in die Finger nehmen, findet er. «Hören Sie auf, diese armen Seelen zu misshandeln», so sein harscher Vorwurf.
Tierschützer halten Pferdekutschen für nicht mehr zeitgemäss
Rückendeckung erhält der Tourist von Tierschützern: «Pferdekutschen sind aus Tierschutzsicht nicht mehr zeitgemäss», sagt Tobias Sennhauser, Präsident von Tier im Fokus, auf Anfrage von Nau.ch.
Er erklärt: «Diese Pferde leiden oft unter physischen und psychischen Belastungen. Überbeanspruchung, mangelnde Erholungszeiten und unangemessene Haltungsbedingungen sind bekannte Missstände, die das Wohlbefinden der Tiere beeinträchtigen.»
Peter Höffken, Fachreferent für Tiere in der Unterhaltungsbranche bei Peta, bläst ins gleiche Horn. «Grundsätzlich sind Pferde unserer Auffassung nach nicht auf dieser Welt, um uns Menschen als Transportmittel zu dienen», meint er.
Er appelliert an die Hotelbetreiber: «Wir hoffen, dass die Eigentümer des Hotels umdenken und künftig keine Kutschenfahrten mehr anbieten.» Das sei auch aus ökonomischer Sicht sinnvoll, glaubt Höffken.
Denn er hofft: «Tierfreundliche Menschen machen einen Bogen um Hotels mit solchen Angeboten. Deshalb sollten die Eigentümer auch aus eigenem geschäftlichem Interesse davon absehen.»
Nobel-Hotel wehrt sich gegen Kritik
Auf Anfrage von Nau.ch erklärt sich das Hotel «Mont Cervin Palace». Nur «sehr selten» erreiche das Hotel negative Rückmeldungen zu den Pferdekutschen. «Viele unserer Gäste erfreuen sich an diesem nostalgischen Transportmittel», sagt Verkaufsdirektorin Petra Ellmeier.
Zudem verweist sie darauf, dass die meisten Gäste ohnehin mit einem der fünf Elektrofahrzeuge transportiert werden. «Es wird nur ein kleiner Prozentsatz aller Personentransporte mit der Pferdekutsche ausgeführt.»
Die Kritik der Tierschützer weist das Hotel von sich: «Der Tierschutz und die Tiergesundheit haben für uns stets obersten Stellenwert. Unsere Pferde sind täglich moderat im Einsatz, und sie haben auch regelmässige Ruhetage», so Ellmeier. «Zwischen den Fahrten werden ausserdem Pausen eingelegt und die Tiere versorgt.»
Dazu komme: Die Pferde sind im Winter laut dem Hotel nur von Mitte Dezember bis Anfang April im Einsatz. Sowie im Sommer von Juli bis Ende August. Die Pferde erhielten in dieser Zeit regelmässig Auslauf.
«Während der anderen Zeit des Jahres kehren die Pferde zu ihrem Halter ins Tal zurück. Dort bewegen sie sich auf weitflächigen Weiden, grasen, ruhen, pflegen Kontakte.» Nur vereinzelt werden sie für einen Austritt eingesetzt.
Kein Verbot von Pferdekutschen in Zermatt geplant
Im Ausland wurden Pferdekutschen bereits in mehreren Städten verboten. Darunter in Paris, Barcelona, London und Tel Aviv. In Zermatt gibt es für solche Anregungen allerdings keine Anzeichen.
«Wir erhalten kaum negative Rückmeldungen bezüglich der Pferdekutschen», sagt David Taugwalder von Zermatt Tourismus. Die grosse Mehrheit der Gäste schätze diese nämlich. Und das offenbar aus gutem Grund.
«Die Kutschen gehören zum Dorfbild dazu und verleihen Zermatt einen gewissen Charme und sind heute Tradition», erklärt Taugwalder. «Das ist so gewachsen.»
Der Kritik von Tierschützern kann er wenig abgewinnen. «Die Leistungspartner halten die Pferde artgerecht – nach höchsten Tierschutzvorschriften. Das stellen Kontrollen durch den Kantonsarzt sicher», hält er fest.
Dass die Leistungspartner wegen vereinzelter Kritik die Kutschen abschaffen, glaubt er deshalb nicht. «Dafür haben wir in Zermatt zu viele gute Erfahrungen gemacht.»