99%-Initiative: Geld arbeitet nicht – Du schon!
In einem Monat stimmt das Schweizer Volk unter anderem über die 99%-Initiative ab. Ein Gastbeitrag der Berner SP-Frauen Lena Allenspach und Barbara Keller.
Das Wichtigste in Kürze
- Lena Allenspach und Barbara Keller unterstützen die 99%-Initiative.
- Die beiden Berner SP-Politikerinnen haben für diesen Gastbeitrag mit Menschen gesprochen.
Am 26. September 2021 stimmen wir über die 99%-Initiative ab. Sie fordert die höhere Besteuerung von Kapitaleinkommen über 100'000 Franken. Betroffen von der Initiative wäre das reichste Prozent der Bevölkerung.
Also jene Personen in der Schweiz, welche pro Jahr über 100'000 Franken an Zinsen und Dividenden erhalten, ohne auch nur eine Stunde dafür gearbeitet zu haben. Keine Person, die für ihr Einkommen jeden Morgen aufsteht und arbeiten geht, ist von der Initiative betroffen. Im Gegenteil, mit den Mehreinnahmen sollen die Einkommenssteuern für Personen mit tiefen und mittleren Arbeitseinkommen gesenkt oder in die soziale Wohlfahrt wie Familienleistungen, Bildung und Gesundheit investiert werden.
Was sind Kapitaleinkommen?
Kapitaleinkommen sind beispielsweise Dividenden, Aktiengewinne und Zinsen. Die Reichsten der Reichen legen ihr Geld in Unternehmensanteilen, Aktien und Finanzprodukten an und kassieren dafür eine Rendite – diese soll nun stärker besteuert werden.
99 Prozent profitieren
Das reichste Prozent der Schweiz würden jährlich rund 10 Milliarden Franken mehr Steuern bezahlen. Sie können sich das locker leisten, denn ihnen gehört fast die Hälfte aller Vermögenswerte in der Schweiz.
Würden die Menschen rein nach ihren Interessen abstimmen, müssten die restlichen 99% der Bevölkerung für die Initiative sein. Denn die Initiative will, dass die zusätzlichen 10 Milliarden den Normalverdienenden zugutekommen.
Wer ist denn gegen die 99%-Initiative?
Und doch gibt es natürlich starken Gegenwind. Aber wer sind diese Leute, die hinter der Millionen-Kampagne stecken? Schaut man sich das NEIN-Komitee an, wird sofort klar, wer gegen die 99%-Initiative ist: CEOs, VR-Präsident:innen, Grossunternehmer:innen, Geschäftsführer:innen von Konzernen.
Wer fehlt in diesem Bürgerlichen Komitee? Jene, welche täglich zur Arbeit gehen, um Geld zu verdienen. Jene, die uns die Post bringen, unsere Häuser bauen, uns pflegen, wenn wir krank sind, unsere Mahlzeiten kochen, unsere Telefon- und E-Mail-Anfragen beantworten oder uns im Laden ein freundliches Lächeln schenken. Das sind jene 99% unserer Gesellschaft, welche tagtäglich unseren Wohlstand erarbeiten, während das 1% die Früchte ihrer Arbeit abkassiert.
Stimmen der 99 Prozent
Wir haben das nachgeholt, was das Bürgerliche Komitee dummerweise versäumt hat und haben mit verschiedenen Menschen gesprochen, welche für ihr Geld arbeiten müssen:
Antonia, 35, Köchin
«Während Corona war ich auf Kurzarbeit, ich habe das enorm gespürt und musste massive Einschränkungen in Kauf nehmen. Dann lese ich, dass die Reichen während der Corona-Krise noch reicher wurden? Ich meine da läuft doch etwas falsch? Das darf nicht sein, die 99%-Initiative bringt das Geld zur Bevölkerung zurück.»
Marcel, 31, Betonwerker EFZ
«Wenn ich meine geleistete Arbeit, sowie das verarbeitete Material und sogar alle Infrastrukturkosten verrechne, kommt raus, dass nach zirka 10 Arbeitstagen alles gedeckt ist. Und doch arbeite ich ungefähr 22 Tage pro Monat.
Man merkt schnell, die Rechnung geht nicht auf. Mehr als die Hälfte meiner Arbeitszeit arbeite ich nur fürs Kapital, für den Gewinn anderer. Zeit, diese Ungleichheit ein wenig auszubügeln und wenigstens die horrenden Kapitalgewinne anständig zu besteuern! Denn wir arbeiten für unser Geld.»
Lea, 31, Pflegerin
«Ich als alleinerziehenden Pflegekraft bin dafür, dass das Kapital endlich gerecht besteuert wird, damit wir den Service Public stärken können. So kann auch die Kinderbetreuung gewährleistet und ausgebaut werden.»
Alfred, 68, Rentner:
«Ich habe mein ganzes Leben als Koch gearbeitet. Die Löhne im Gastrobereich sind nicht besonders hoch, entsprechend konnte ich nicht viel für meine Rente sparen. Das merke ich jetzt. Ich komme gerade so durch, viel leisten kann ich mir nicht.
Wie kann es sein, dass jemand, der sein ganzes Leben gearbeitet hat, Mühe hat seinen Lebensunterhalt im Alter zu bezahlen, während andere einfach ihr Geld arbeiten lassen können?»
Jeanine, 42, Sachbearbeiterin:
«Ich würde sagen ich verdiene nicht schlecht in meinem Job. Weshalb ich trotzdem für die 99%-Initiative bin? Ich zahle Steuern auf dem Geld, welches ich verdiene. Warum sollen Kapitaleinkommen weniger besteuert werden?
Das Geld ist viel einfacher verdient. Es vermehrt sich praktisch von allein. Ergo sollen die Superreichen auch gerecht besteuert werden. Deshalb sage ich JA zur 99%-Initiative»
Jakub, 16, Informatik-Lernender
«Letztens fing ich mein zweites Lehrjahr als Informatik-Lernender an. Ich finde zwar meine Arbeitsbedingungen gut, jedoch lässt mich die steigende Ungleichheit in der Schweiz und auf der Welt glauben, dass ich trotzdem unter wirtschaftlicher Herrschaft des reichsten Prozents der Menschheit leben werde. Um einen Schritt in Richtung einer gerechteren Gesellschaft zu machen, und die Arbeiter:innen in der Schweiz etwas zu entlasten, würde ich gerne ein JA in die Urne legen, wenn mich daran mein Alter und Aufenthaltsstatus nicht hindern würden.»
Menschen, die hart arbeiten, damit das Kapital jährlich Rendite abwirft, sehen nichts von diesem Geld. Im Gegenteil: Die Arbeitsbedingungen werden immer wieder angegriffen.
Wer andere für sich arbeiten lässt, soll auf seine Profite wenigstens anständig Steuern zahlen. Die Initiative gibt der arbeitenden Bevölkerung etwas von ihrem erarbeiteten Reichtum zurück. Denn Geld arbeitet nicht – wir schon!
Zu den Autorinnen:
Barbara Keller ist im Initiativkomitee der 99%-Initiative, SP Stadträtin, Co-Präsidentin SP Bern Ost, Geschäftsleitungsmitglied der SP Frauen Schweiz und Campaignerin bei der Unia Schweiz
Lena Allenspach ist SP Stadträtin, Co-Präsidentin der SP Stadt Bern, Gewerkschafterin bei syndicom und Politologin.